Wege aus der Apokalypse

VN-INTERVIEW: Gerda Poppa, Organistin, Komponistin (61)
Ihr Oratorium „OmegAlpha“ wird nun am 30. Juni in der Basilika Rankweil uraufgeführt.
RÖTHIS Gerda Poppa ist Vorarlbergs einzige professionell ausgebildete Komponistin, die hier lebt und als Hauptorganistin ihren Dienst in der Basilika Rankweil versieht. Neben zahlreichen Kompositionen für verschiedenste Besetzungen ist von ihr erstmals auch ein Oratorium mit dem Titel „OmegAlpha“ entstanden, ein 70-minütiges Werk, das die große tradierte Form mit aktuellen und aufrüttelnden Inhalten erfüllt. Am 17. März sollte als bisheriger Höhepunkt ihrer Karriere dieses Werk durch den Auftraggeber, den Kammerchor Feldkirch unter Benjamin Lack, uraufgeführt werden.

Doch durch eine plötzliche Erkrankung der Altistin Veronika Dünser, die in der Kürze nicht zu ersetzen war, musste diese Uraufführung verschoben werden und findet nun am 30. Juni, 19 Uhr, in der Basilika statt. Wie zur Bestätigung ihres Schaffens wurde inzwischen bekannt, dass Gerda Poppa den Kompositionspreis des Landes erhält, der im Herbst überreicht wird. So liegen auch in der Kunst Enttäuschung und Freude oft ganz nahe beisammen.

Die Form des klassischen Oratoriums ist in der Musik unserer Zeit eher selten geworden. Vermutlich, weil neben der kompositorischen Erfindung auch eine Menge Knochenarbeit für die Ausarbeitung des Stimmenmaterials notwendig ist. Warum tut man sich das an?
POPPA Die Grundvoraussetzung ist ein Brennen für die Idee, für das Projekt. Die Idee zu „OmegAlpha“ branntes chon lange in mir und das hat mir die Kraft und Energie geliefert, die es braucht, so ein komplexes Werk mit allem Drum und Dran umzusetzen.
Wie lang haben Sie daran gearbeitet?
POPPA Das lässt sich nicht in Wochen oder Monaten ausdrücken, da ich nicht ununterbrochen daran arbeiten konnte. Aber es kommt schon einiges an Zeit zusammen…

Sie haben als viel strapazierten Ausgangspunkt dieses Oratoriums die Offenbarung des Johannes aus dem Alten Testament gewählt. Ist das Ihre Reaktion auf unsere Zeit der Kriege und Katastrophen? Ist die Apokalypse nicht schon allgegenwärtig?
POPPA Die Offenbarung des Johannes ist so umfangreich, so tiefgründig und hat so viele Facetten, dass sie seit jeher Künstler aller Gattungen und Stile inspiriert. Sie bietet auch Freiraum für Interpretation und Vision. „OmegAlpha“ ist aus einem inneren Bedürfnis heraus entstanden, die heutigen weltweiten Entwicklungen und Geschehnisse zur (musikalischen) Sprache zu bringen. Und da habe ich in den ausgewählten Kapiteln der Offenbarung eine erstaunliche Ausgangsbasis gefunden. Ich konnte meine Gedanken, meine Ängste und Hilflosigkeit kompositorisch verarbeiten, aber auch weiterdenken.

Welche Deutung verbirgt sich hinter dem Namen „OmegAlpha“ mit dem letzten und ersten Buchstaben des griechischen Alphabets?
POPPA In Abwandlung eines bekannten Gedichtverses von Hermann Hesse möchte ich es so ausdrücken: Jedem Ende wohnt ein Anfang inne. In meinem Oratorium entwickelt sich das Alpha aus dem Omega, es ist ein Weiterdenken, eine Art Vision. Dieses Alpha als Folge des Omegas war die Grundidee des ganzen Oratoriums, es war der ursprüngliche Auslöser zum gesamten Werk.

Der Begriff Oratorium lässt den Durchschnittshörer eher an Bach und Händel denken. Welche musikalisch-künstlerischen Möglichkeiten haben Sie für eine aktuelle Darstellung in Besetzung und Tonsprache ausgeschöpft?
POPPA Die verwendeten Texte haben viel vorgegeben. Was macht dieser oder jener Text mit mir, welche Musik löst er in mir aus? Singen, sprechen, rufen; instrumentale Effekte, Atonalität, aber auch Tonalität; verschiedenste Besetzungsformen von Soli bis Tutti – vieles ist auf die Texte zurückzuführen.
Glauben Sie, kann Kunst, kann Musik eine Möglichkeit sein für den Frieden, in Ihrem Fall für Wege aus der Apokalypse?
POPPA Kunst hilft, den Blick zu weiten und sie regt das visionäre Denken an. Die Beschäftigung mit Kunst kann den Menschen und sein Denken nachhaltig auf positive Weise verändern und damit auch sein Tun. In erster Linie hoffe ich, die Zuhörer mit diesem ganz besonderen Werk zu berühren.
FRITZ JURMANN
ZUR PERSON
GERDA POPPA
GEBOREN 1. Jan. 1963
AUSBILDUNG Orgelstudium bei Bruno Oberhammer, Orgelimprovisation bei Jörg Brunner, ab 2009 Hauptstudium in Komposition bei Herbert Willi am Landeskonservatorium, Abschluss mit Auszeichnung
TÄTIGKEIT Hauptamtliche Organistin an der Basilika Rankweil, Konzerttätigkeit als Solistin und mit Ensembles in Österreich und der Schweiz; zahlreiche Kompositionen für verschiedene Besetzungen; Vorstandsmitglied der Rankweiler Basilikakonzerte
FAMILIE verheiratet, zwei erwachsene Kinder