Olympiagold für Bregenzer Doppelpremiere

Kultur / 13.08.2024 • 11:51 Uhr
Der Ehevertrag Gianni Schicchi
Rossinis heiterer Erstling und Puccinis gut 100 Jahre jüngere Erbschleichersatire wurden am Montag in einer mitreißenden Inszenierung von Brigitte Fassbaender gezeigt. Bregenzer Festspiele/Karl Forster

Fantastischer Opernabend mit Rossinis „Ehevertrag“ und Puccinis „Gianni Schicchi“ im Kornmarkttheater.

Bregenz Wenn „Opernproduktion“ eine olympische Disziplin wäre, dann könnte Bregenz eine weitere Goldmedaille feiern. Rossinis heiterer Erstling und Puccinis gut 100 Jahre jüngere Erbschleichersatire wurden am Montag in einer mitreißenden Inszenierung von Brigitte Fassbaender gezeigt, die ihrem Ruf als exzeptionelle und humorvolle Regisseurin mehr als gerecht wurde und die zudem das junge Gesangsensemble in einem Meisterkurs auf diese Aufgabe vorbereitet hatte.    

Der Ehevertrag Gianni Schicchi
Bühnen- und Kostümbildner Dietrich von Grebmer hat die Handlung von London nach Bregenz und ins Laptopzeitalter versetzt, in die Geschäftsräume von„Bregenz Brides”.

Bei Rossini will ein verschuldeter Kaufmann seine Tochter an einen kanadischen Geschäftsfreund verschachern, der per Brief eine Ehefrau wie eine Ware anfordert. Fanni liebt einen anderen, doch nach der Wandlung des Kanadiers zum Wohltäter, der den Rivalen zu seinem Erben einsetzt, folgt das Happy End.

Der Ehevertrag Gianni Schicchi
Fanni liebt einen anderen, doch nach der Wandlung des Kanadiers zum Wohltäter, der den Rivalen zu seinem Erben einsetzt, folgt das Happy End.
Der Ehevertrag Gianni Schicchi
Schwung und mitreißende Spielfreude gab es von Anfang an.

Bühnen- und Kostümbildner Dietrich von Grebmer hat die Handlung von London nach Bregenz und ins Laptopzeitalter versetzt, in die Geschäftsräume eines Brautkleidversands namens „Bregenz Brides“. Während des Hornsolos in der Ouverture sieht man den Liebhaber Edoardo gefühlvoll ein Horn blasen, das von den anderen dann als Hut oder Trinkgefäß zweckentfremdet wird, bevor sie alle ein Tänzchen aufs Parkett legen (Choreografie Rosita Steinhauser).

Der Ehevertrag Gianni Schicchi
Idil Kutay als Fanni überstrahlt alle mit ihrem leuchtenden, beweglichen Sopran.

Schwung und mitreißende Spielfreude also von Anfang an, auch aus dem Orchestergraben, wo das Symphonieorchester Vorarlberg unter dem flüssigen Dirigat von Claire Levacher einen farbigen, präzis artikulierten Klangteppich ausbreitet. Franceso Lucii als Edoardo singt mit leicht metallischem Tenor, Idil Kutay als Fanni überstrahlt alle mit ihrem leuchtenden, beweglichen Sopran, Dionysios Avgerinos (Bariton) gibt den tyrannischen Vater Tobia Mill, der äußerlich entfernt an den austrofaschistischen Kanzler Engelbert Dollfuß erinnert. Maximilian Bell (Bass) und Liza Vjera Lozica (Mezzosopran) als das Angestelltenpaar Norton und Clarina überzeugen stimmlich und darstellerisch ebenso wie der kraftvolle Bariton Francesco Auriemma als Kanadier Slook, der als Gastgeschenk Gläser mit Ahornsirup mitbringt.

Der Ehevertrag Gianni Schicchi
Bei „Gianni Schicchi“ verwandelt sich die Bühne in ein 50er-Jahre-Wohnzimmer mit neobarocken Möbeln und einer Regalwand, darüber eine stilisierte Darstellung des Ponte Vecchio in Florenz.

Bei „Gianni Schicchi“ verwandelt sich die Bühne in ein Fünfzigerjahre-Wohnzimmer mit neobarocken Möbeln und einer Regalwand, darüber eine stilisierte Darstellung des Ponte Vecchio in Florenz. Die Familie Donato, köstlich kostümiert wie das Personal der Addams Family, sitzt um den Esstisch, als der alte Buoso Donati (Jaakko Kortekangas), der am Schluss des „Ehevertrags“ wie der Tod hinter Tobia Mill aufgetaucht war, mit dem Gesicht in seinen Suppenteller fällt und stirbt.

Der Ehevertrag Gianni Schicchi
Die Familie Donato ist köstlich kostümiert wie das Personal der Addams Family.

Um zu verhindern, dass die Mönche alles erben, ruft die Familie den schlauen Bauern Gianni Schicchi zu Hilfe, den Vater Laurettas, die Rinuccio Donati liebt. Als Buoso verkleidet diktiert Schicchi einem herbeigerufenen Notar ein Testament und schanzt sich die besten Stücke selbst zu. Jacob Phillips in der Titelrolle trumpft mit kräftigem Bariton auf, Idil Kutay verleiht der Arie der Lauretta, „O mio babbino caro“ am Schluss auch lyrische Töne, Gonzalo Quinchahual singt den Rinuccio mit schmelzendem Tenor. Rommie Rochell (Mezzosopran) als böse Tante Zita liefert bei der stummen Lektüre des Testaments zugunsten der Mönche auch ein mimisches Kabinettstück. Bell, Auriemma, Lucii, Avgerinos und Lozica, die schon im „Ehevertrag“ sangen, geben hier den Arzt und den Notar, die Zeugen Pinellino und Guccio und di La Ciesca, in kleineren Rollen glänzen Ilia Skvirskii als Gherardo, Isabel Weiler als Nella und Fabian Jakob Balkhausen als Betto di Signa. Junoh Lee als Simone und Pete Thanapat als Marco verblüffen mit ihrer körpersprachlichen Gestaltung alter Menschen. Besonders hübsch der Knabensopran von Jonathan Urstadt, der als Gherardino mit einer großen gelben Plastikente die Szene auflockert.

Der Ehevertrag Gianni Schicchi
Für das Ensemble gab es frenetischen Beifall.

Fabelhaft wieder das Orchester, diesmal mit grelleren Farben und kräftigeren Effekten. Am Schluss züngeln die Flammen des Inferno auf, in das Dante in seiner Göttlichen Komödie den Gianni Schicchi verbannte. Nicht enden wollender, frenetischer Beifall. Besser geht’s nicht. Ulrike Längle

Weitere Aufführungen am 14., 16. und 17. August im Theater am Kornmarkt: www.bregenzerfestspiele.com

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