Ein Liederabend der Kontraste

Der südafrikanische Opernstar Golda Schultz bekam das bei ihrem Schubertiade-Debüt zu spüren.
SCHWARZENBERG. Da glaubt man, man hätte als altgedienter Schubertianer bei Liederabenden schon alles erlebt, was die Schubertiade zu bieten hat. Doch weit gefehlt – das Konzert am Samstagabend bot Kontraste im Übermaß – tolle und weit weniger gelungene. Dem glanzvollen Liederabend des aus Südafrika stammenden Opernstars Golda Schultz stand bei ihrem Debüt ein unbedarftes Publikum gegenüber, das durch hartnäckigen Applaus an unpassenden Stellen viel von der Stimmung kaputtmachte, die dieser Abend versprochen hatte.

Bleiben wir zunächst positiv, bei der bunten, aufgeweckten Persönlichkeit der Sopranistin, die mittlerweile in Salzburg wie an der Met eine gefeierte Größe ist. Die Opernbühne ist also der bevorzugte Aktionsraum für Golda Schultz, die auch bei diesem Liederabend ihre große, strahlende, absolut höhensichere und dazu kräftige Opernstimme ungeniert ins Treffen führt. Was bei ähnlichen Gelegenheiten dem Lied gar nicht gut bekommt, wird hier zum attraktiven Erfordernis für so dramatische Schubertlieder wie „Gretchen am Spinnrade“ oder „Erlkönig“, bei dem es einem eiskalt den Rücken herunterläuft.

Für lyrisches Liedgut wie die Gesänge nach Goethe oder „Auf dem Wasser zu singen“ dagegen weiß sich die Sängerin vornehm zurückzunehmen, packt ihr zweites Stimmregister aus, verhaftet in wunderbarer Pianokultur, und erreicht dadurch ein Übermaß an berührender Wirkung. Dass sie mit Schuberts „Viola“ startet, einem elend langen Strophenlied, ist nicht gerade ein Eisbrecher für das Publikum. Sie macht dies spätestens mit ihrem letzten Lied wieder gut, „Nacht und Träume“, das in endlosen Melodiebögen zu einem Triumph der Innigkeit wird. Zu bemängeln freilich ist ihre undeutliche Diktion, die auch nicht durch ihre Herkunft entschuldbar ist, wenn man an das perfekte Sanges-Deutsch eines Ian Bostridge denkt.
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Zu den Besonderheiten dieses Liederabends zählt auch, dass Golda Schultz ihr Gerüst aus Schubertliedern mit Gesängen von komponierenden Frauen des 19. und 20. Jahrhunderts kontrastiert, die es damals aus gesellschaftlichen Gründen schwer hatten mit ihrer Kunst. Das sind auch bei der Schubertiade seltene Edelsteine im Programm, am Bekanntesten unter den Vergessenen ist die Deutsche Emilie Mayer (1812 – 1883), von der ihre „Faust-Ouvertüre“ kürzlich bei einem Festspiel-Orchesterkonzert der Symphoniker erklang. Mayers Lieder atmen zwar nicht die Genialität eines Schubert, sind aber im direkten Vergleich wie ihr „Erlkönig“ bemerkenswerte Arbeiten von stark emotionaler Ausdruckskraft. Jonathan Ware am Klavier ist auch diesen Vorlagen ein äußerst präziser und wachsamer Begleiter.

Zum Ärgernis dieses Abends wird dagegen das Schubertiade-Publikum, das sonst stets als besonders fachkundig gilt. Diesmal müssen Leute im Angelika-Kaufmann-Saal gesessen sein, die noch nie in ihrem Leben bei einem Liederabend waren, die Applaus-Gepflogenheiten nicht kennen und den ganzen Abend lang stur nach jedem der oft kurzen Lieder den Einsatz zum Klatschen geben, dem andere gedankenlos folgen. Man wähnt sich bei einem Frühschoppen: Wenn die Musik aufhört zu spielen, wird geklatscht. Dabei hat eine Größe des Liedgesanges wie der Bariton Dietrich Fischer-Dieskau in den frühen Achtzigern den unverbesserlichen Klatschern mit einem Hinweis im Programmheft unmissverständlich eine Lektion erteilt: „Es wird gebeten, die einzelnen Liedblöcke nicht durch Applaus zu unterbrechen und erst nach Ende eines Liedes im Programmheft umzublättern.“ Das hat gehalten – bis vergangenen Samstag. Die beiden Künstler lächeln über diese Aufdringlichkeit einfach hinweg. Gestört hat sie trotzdem.
FRITZ JURMANN