Exquisite Männerstimmen

Kultur / 29.08.2024 • 09:55 Uhr
I. Arcayürek, K. Carrel, P. Grahl, J. Petryka, K. Krimmel, A. Schuen, A. Bauer Kanabas, D. Steffens, D. Heide
Eine “All-Stars-Boy-Group” präsentierte „Vermischte Gesänge“ von Schubert und „Deutsche Volkslieder“ von Silcher. Schubertiade

Berührende „Schöne Müllerin“ mit Acaryürek/Bushakevitz und Schubert- und Silcherchöre in Schwarzenberg


Schwarzenberg Was macht einen großen Künstler aus? Muss er nur wissen, wie man die Gefühle, die er auf der Bühne darstellen soll, zum Ausdruck bringt oder muss er sie auch selbst fühlen? Wenn man den Tenor Ilker Acaryürek und seinen Begleiter Ammiel Bushakevitz am Mittwoch in der „Schönen Müllerin“ erlebt hat, neigt man zum zweiten. Eine solch intensive emotionale Wirkung kann man nur erreichen, wenn man die Liebesverwirrungen des Müllerburschen selbst bis zum Grund durchfühlt hat.

Ilker Arcayürek, Ammiel Bushakevitz
Die „Schöne Müllerin“ von Acaryürek war berührend und schön zugleich. schubertiade

Zunächst beginnt alles wie gewohnt: „Das Wandern“ erklingt in bewegtem Tempo, bei den ersten Liedern glaubt man, es mit einem naiven, temperamentvollen Burschen zu tun zu haben. Der Text ist perfekt verständlich, Bushakevitz am Flügel lässt von Anfang an durch sein feinfühliges, dann wieder dramatisch und expressiv gestaltendes Klavierspiel aufhorchen. Wunderschön der Beginn von „Ich frage keine Blume“ mit den zartest hingetupften Klaviernoten, im Kontrast dazu die hinreißend innig gesungene Melodielinie von „Du Bächlein meiner Liebe“.

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Der Liebesschmerz in „Meine Laute hab‘ ich gehängt an die Wand“ wird als dramatisch durchgestaltete Szene vermittelt, ab dem bedrohlichen „Jägerlied“ wird die Interpretation immer intensiver: Acaryüreks wunderschön timbrierter Tenor, der nur ganz selten bei Spitzentönen etwas angestrengt klingt, vermittelt Eifersucht und Verzweiflung ebenso überzeugend wie echten Liebesschmerz. Wenn manche Interpreten bei „Die liebe Farbe“ eher zu fahlen Tönen greifen und der Müllerbursche dadurch etwas von einem Wahnsinnigen bekommt, bleibt Acaryürek in seiner enttäuschten Liebe immer klangvoll. Hier singt eine ehrlich verzweifelte Seele, deren Liebesqualen ungemein berühren. Man hört die Tränen mit, aber nicht kokett im Knopfloch getragen, sondern echt. Wahrhaftigkeit ist die Qualität, die diesen Sänger und seinen Begleiter auszeichnet. Noch nie habe ich eine „Schöne Müllerin“ gehört, die derart berührt hat und die zugleich so schön war.

I. Arcayürek, K. Carrel, P. Grahl, J. Petryka, K. Krimmel, A. Schuen, A. Bauer Kanabas, D. Steffens, D. Heide
Ilker Acaryürek, Kieran Carrel, Patrick Grahl, Jan Petryka, Konstantin Krimmel. Andrè Schuen, Andreas Bauer Kanabas, David Steffens, dazu Daniel Heide am Klavier. schubertiade

Zwei Tage vorher durfte das Publikum in Männerstimmen baden: Eine All-Stars-Boy-Group gab „Vermischte Gesänge“ von Schubert und „Deutsche Volkslieder“ des schwäbischen Liederkomponisten Friedrich Silcher zum Besten, die früher zum Kernrepertoire jedes Männerchores gehörten: Ilker Acaryürek, Kieran Carrel von der Deutschen Oper Berlin, der kurzfristig für Martin Mitterrutzner eingesprungen war und seine Sache sehr gut machte, Patrick Grahl und Jan Petryka im Tenor, Konstantin Krimmel und Andrè Schuen im Bariton und Andreas Bauer Kanabas und David Steffens im Bass, dazu Daniel Heide am Klavier. Vor der Pause klang manches noch etwas unrund, die beiden Schubert-Trinklieder zu Beginn sind wohl auch bloß Gelegenheitskompositionen. Ein Höhepunkt wurde Schuberts Vertonung von Goethes „Gesang der Geister über den Wassern“ für Männerchor und Streichquintett, besetzt mit Mitgliedern des Symphonieorchesters Vorarlberg: Karoline Pilz-Kurzemann und Gyöngyi Ellensohn (Viola), Franz Ortner und Fabian Jäger (Cello) und Bernd Konzett (Kontrabass).

I. Arcayürek, K. Carrel, P. Grahl, J. Petryka, K. Krimmel, A. Schuen, A. Bauer Kanabas, D. Steffens, D. Heide
„Loreley“ oder „Ännchen von Tharau“ klangen in dieser Luxusbesetzung sehr ansprechend. schubertiade

Die Schubert-Chöre nach der Pause waren eine reine Freude: In „Mondenschein“ durfte Jan Petryka als Solist „der Liebe Schmerz“ in hohen Melismen besingen, im „Ständchen“ brillierte Krimmel, in „Nachthelle“ ließ Acaryürek sein berückendes Timbre in exponierter Lage erklingen. Grahl hatte schon im ersten Teil mit sichtlichem Vergnügen mehrere Soloparts gesungen, wie man überhaupt den Sängern die Freude bei diesem Programm anmerkte. Auch Silchers Volkslieder, etwa „Loreley“ oder „Ännchen von Tharau“, klangen in dieser Luxusbesetzung sehr ansprechend. Bei der Zugabe gesellte sich Daniel Heide zu den Tenören, das Publikum wurde mit Schuberts „Wie schön bist du, freundliche Stille“ in die Nacht entlassen.

Ulrike Längle