Frühmorgendliche Improvisationen für Anton Bruckner

Vorarlberger Organist Jürgen Natter bei Geburtstagsfeiern in Linz dabei.
Linz Am 4. September 1824 um halb fünf Uhr früh wurde Anton Bruckner in Ansfelden geboren. In ganz Oberösterreich wurde dieser Geburtstag heuer anlässlich seiner 200. Wiederkehr vierundzwanzig Stunden lang gefeiert. Unter dem Titel „Bruckners Erwachen – ein improvisiertes Orgelfrühstück“ pflegten ab fünf Uhr früh vier „Großorganist: innen unserer Tage“, wie es im Programm hieß, im Alten Dom in Linz die Kunst, die Bruckner meisterhaft beherrschte: die Improvisation, dazu an einer Orgel, an der Bruckner selbst Organist war. Die illustre Runde bestand aus Jörg Abbing, ehemaliger Dozent für Orgelimprovisation an der Musikuniversität in Saarbrücken, Ludwig Lusser, Domorganist in St. Pölten, Monica Melcova, zeitweise Titularorganistin in Saint-Martin-des-Champs in Paris und Leiterin der Improvisationsklasse an der Hochschule für Musik in San Sebastiàn und dem Jüngsten der Runde, dem derzeit freischaffenden Vorarlberger Organisten Jürgen Natter, der schon in vielen Ländern konzertiert hat, u. a. an der Bruckner-Orgel in St. Florian.
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Jeder Künstler hatte bestimmte Themen für seine ca. halbstündige Improvisation ausgewählt: Natter begann mit Themen aus der Vierten und den Tönen A, B, C und E aus dem Namen Anton Bruckner. Ein Anfang wie aus dem Nichts, dann die berühmte abfallende Quart aus dem einleitenden Hornmotiv der Vierten, aber nicht gleich wieder der Aufstieg, sondern verschiedene Umspielungen, sehr subtil gemacht, kühne Harmonien, insgesamt eine sehr organische Improvisation.
Melcova hatte sich das Scherzo der Vierten ausgewählt. Ihre Spielweise war traditioneller, die Musik strömte in einem ruhigen Fluss dahin, dann erkannte man das populäre Ländler-Thema aus dem Trio. Das rhythmische Scherzo-Thema wurde bis zu einem ruhigen Schluss durchexerziert. Am spektakulärsten war Lusser, mit Themen aus der Achten und dem Ave Maria. Nach einem leisen Beginn in Dur wurde die Musik zunehmend dissonanter, lauter und aggressiver, bis zu gewaltigen Clustern, bei denen die Grenzen der Orgel als Krachinstrument ausgelotet wurden. Ganz anders dann Abbing in der Tradition der französischen Orgelschule mit Themen aus der Siebten: ein einstimmiger Beginn, aparte rhythmische Begleitfiguren, sich steigernde Akkorde, dann kein triumphales Finale, sondern ein ausfransender Schluss.
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In der zweiten Hälfte traten die Organisten in geänderter Reihenfolge an. Natter war der vorletzte, diesmal nach einer wieder extrem schrillen Clusteranhäufung von Lusser. Er entschied sich für die leisen Töne: Mit Themen aus dem Perger-Präludium, dem Locus iste und Wagners „Tristan und Isolde“ schuf er einen extrem feinen, wunderschönen, vielfarbig schillernden Klangteppich. Dieser Morgen war ein in seiner Vielfalt und Kunstfertigkeit einmaliges Konzertereignis, würdig des Jubilars Anton Bruckner.
Ulrike Längle