F. M. Felder im Rampenlicht

Das Vorarlberger Landestheater präsentierte die Uraufführung von Felix Mitterers „Aus seinem Leben“
Bregenz Die Erwartungen waren groß, als bekannt wurde, dass sich kein Geringerer als Felix Mitterer im Auftrag des Franz-Michael-Felder-Vereins mit einem dramaturgischen Text eines „Säulenheiligen“ des Bregenzerwaldes, des Dichters und Sozialreformers Franz Michael Felder, annehmen würde.
Inwieweit und mit welchen dramaturgischen Mitteln ein Biopic einer realen historischen Figur gerecht werden kann, ist immer eine der größten Herausforderungen.

Das Gezeigte kann zwischen stringenter Handlung und schlaglichtartiger Darstellung, zwischen faktischer Genauigkeit und freier Interpretation oszillieren. Im Fall von „Aus seinem Leben“ hielt man sich an eine lineare, chronologische Aufzählung und einige bekannte Konfliktpunkte aus Felders Leben, wie das nicht unbeschwerte Heranwachsen eines Sonderlings in der Enge des Hinteren Bregenzerwaldes, der frühe Verlust des Vaters Jakob, der Verlust des linken Augenblicks durch die Pfuscherei eines betrunkenen Arztes, Felders Sturz und beinahe Ertrinken in den eiskalten Fluten der Bregenzerach, die Heirat mit seiner Frau Anna Katharina, genannt Nanni, „die Gründung einer Reformpartei in Vorarlberg, die den Einzug in den Landtag knapp verpasste“, Felder aber in den Gemeinderat von Schoppernau gewählt wurde, und der Dauerkonflikt mit dem „Käsgrafen“ Gallus Moosbrugger, der dem Manchesterliberalismus anhing und die Bauern der Region durch Knebelverträge in absolute Abhängigkeit brachte – ganz im Gegensatz zu Felders von Ferdinand Lassalle inspirierten Ideen.

Das Stück beginnt mit einer intimen Szene, die nicht zufällig an eine Heilige-Grab-Aufbau erinnert, wie sie noch heute in der Karwoche in Bregenzerwälder Kirchen zu sehen ist. Felder, herausragend von einem glänzend disponiertem Luzian Hirzel verkörpert, am Sterbebett seiner geliebten Nanni (bestechend: Isabella Campestrini), die 1868 nach kurzer Krankheit überraschend stirbt; sieben Monate später stirbt auch Felder.

In dieser für Felder äußerst belastenden Zeit entstand sein wohl berühmtestes Werk „Aus meinem Leben“ (1869), das nach seinem Tod keinen Verleger fand und erst 1904 posthum veröffentlicht wurde. Die Stationen aus Felders Leben werden vor Augen geführt, manchmal gelingen dem Regisseur Otteni intime Momente, manchmal wirken sie etwas bieder, unbeholfen und durchschaubar, wie etwa die Szene, in der Felder zu ertrinken droht: In den Bühnenboden ist ein 1 m² großes Wasserbecken eingelassen, in dem Felder um sein Leben kämpft. Von großem Einfühlungsvermögen ist dagegen die anschließende Szene, in der Felders Mutter Maria (glaubwürdig und emphatisch gespielt von Nanette Waidmann) den totgeglaubten Felder zum Leben erweckt”.

Der Auftritt von Gallus Moosbrugger wird begleitet von einer kurzen, etwas zu dramatischen Einspielung (brillant Oliver Rath) der Musik aus dem legendären Western „The Good, the Bad, the Ugly“ (Sergio Leone, 1966). Nach der Pause mutiert die Aufführung zu sehr zu einem sogenannten Stubenspiel, dessen Spielform sich vor allem im Alpenraum bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts großer Beliebtheit erfreute. Im Bühnenhintergrund ist eine Ansicht von Schoppernau zu sehen, teils im Frühlingssonnenlicht, teils schneebedeckt. Davor wechseln sich Wirtshaus- und Kirchenszenen ab, in denen lautstark diskutiert oder still dem Wort des Pfarrers von der Kanzel gelauscht wird. Von den Dialogen zwischen Pfarrer Rüscher (herrlich elitär und selbstbewusst: Thomas Schweiberer), Felder und Felders Freund Seppel (exzellent: Nurettin Kalfa) hätte man sich mehr gewünscht.

„Es ist hell auf der Welt“, sind Felders letzte Worte im Stück. Im Hintergrund die Menschen aus Schoppernau (gespielt von Mitgliedern des Theatervereins Bizau), alle plötzlich in Skikleidung statt in der schlichten, schwarzen bäuerlichen Alltagstracht des 19. Jahrhunderts. Der Anbruch einer neuen Zeit? Das Stück suggeriert ein glückliches, versöhnliches Ende. Doch die Wahrheit ist eine andere. Lang anhaltender Applaus.
aus seinem leben
Über den Bregenzerwälder Dichter und Bauern Franz Michael Felder
Felix Mitterer | Uraufführung
In einer Fassung von Stefan Otteni und Juliane Schotte
Auftragswerk des Franz-Michael-Felder-Vereins
Inszenierung: Stefan Otteni
Bühne und Kostüm: Matthias Strahm
Musik: Oliver Rath
Licht: Simon Tamerl
Dramaturgie: Juliane Schotte
Mit: Isabella Campestrini, Luzian Hirzel, Nurettin Kalfa, Roman Mucha, Oliver Rath, Thomas Schweiberer, Nanette Waidmann und mit Walter Gmeiner, Manuela Greber, Johanna Metzler, Jürgen Metzler, Herta Meusburger vom Theaterverein Bizau sowie Paula Czizegg, Hanno Dreher, Waltraud Drexler, Sigi Stadler vom Bürger:innenchor des Vorarlberger Landstheaters
Vorstellungen: Di, 24. September I Fr, 11. Oktober, 19.30 Uhr | So, 13. Oktober, 17.00 Uhr, sowie Do, 7. und Sa, 9. November, 19.30 Uhr, Großes Haus