Wenn es Nacht wird im Kultursaal

François Leleux, Enrico Onofri und das Münchner Kammerorchester bei Dornbirn Klassik.
Dornbirn Die Reihe Dornbirn Klassik hat mit dem Konzert letzten Dienstag einen weiteren Akzent in Richtung anspruchsvolle Programme gesetzt. Nach Karl Markovics mit den „Letzten Tagen der Menschheit“ und Pro Brass gastierte diesmal das Münchener Kammerorchester, das seine Konzertsaison unter das Motto „Nachtwache“ gestellt hat. Auf der Homepage werden zwei Aspekte besonders hervorgehoben: die Stille der Nacht als Zeit, zur Ruhe zu kommen, mit durchaus subversivem Potential und die Nachtwache als „Ausdruck von Zusammenhalt und Zugewandtheit“.

Flirrende Klangflächen im Piano und fragmentierte Phrasen forderten gleich einmal hohe Konzentration vom Publikum: Luciano Berios „Notturno“ für Streichorchester trägt als Motto eine Gedichtzeile von Paul Celan: „Ihr (der Nacht, UL) das erschwiegene Wort“ aus dem Gedicht „Argumentum e silentio“, einem elegischen, dunklen Poem, das Schönheit und Schrecken vereint. Berio setzt die paradoxe Situation zwischen Verstummen und Sprechen in ein subtiles Stimmengeflecht um, das immer wieder zu neuen Wellen ansetzt und vom Orchester Virtuosität und höchste Aufmerksamkeit verlangt; bei den schroffen Wendungen kann man an Albträume denken. Enrico Onofri, Spezialist für historisch informierte Aufführungspraxis, dirigierte konzentriert, mit präzisen, aber immer fließenden Gesten, das Orchester folgte ihm mit homogenem, feinst abgestimmtem Klang, bis das Werk nach einem Bratschensolo leise verhauchte.

Ganz anders dann Martinůs Konzert für Oboe und kleines Orchester, eine schwungvolle, rhythmisch vertrackte Komposition mit fast parodistischen Anklängen an die böhmische Folklore – man fühlte sich wie auf einem nächtlichen Tanzboden. Und nun trat der französische Oboist François Leleux aufs Podium, einer der weltweit führenden Vertreter seines Faches, von Anfang an mit enthusiastischem Applaus begrüßt. Welch betörende Töne er seinem wahrhaft schwer zu spielenden Instrument entlockte, wie farbig er seinen Vortrag mit dunklen und hellen Tönen abschattierte, wie er von den glasklaren Spitzentönen bis zur vollen Tiefe alles mit warmem Timbre gestaltete, wie mühelos und tänzerisch er durch die flottesten Läufe flitzte, das macht ihm derzeit wohl niemand nach. Leleux spielte auswendig, dazu mit einer Körpersprache, die manchmal an einen Schlangenbeschwörer erinnerte: Hier traf die Phrase zu, dass er das Publikum in seinen Bann schlug. Das nun durch zehn Bläser und einen Flügel verstärkte Orchester meisterte seinen anspruchsvollen Part mit Präzision und Verve. Begeisterter Jubel im Publikum, als Zugabe dann ein Bravourstück, eine Bearbeitung von „Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen“ aus der „Zauberflöte“, das jede Sopranistin in den Schatten stellte.
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Etwas gemischt dann der Eindruck nach der Pause, mit Mozarts für heutige Hörgewohnheiten ungewöhnlich langer Haffner-Serenade, einer Freiluft-Komposition für einen Polterabend, bei der damals niemand ununterbrochen still auf seinem Sitz gesessen ist. Nach dem einleitenden eleganten Marsch KV 249 gerieten besonders der erste und der letzte Satz ausnehmend plastisch und prachtvoll: in flotten Tempi, sprechend artikuliert und mit sicherem Gespür für Mozarts dramatische Qualitäten. Die Menuette fielen dagegen etwas ab. Leider wurden die Sätze mit dem virtuosen Violinpart weggelassen: Hier hätte man Onofri, der jahrelang Konzertmeister bei „Il Giardino Armonico“ war, gerne als Solisten gehört. UL