Jede Note ein Erlebnis

Robert Neumann mit Werken von Frédéric Chopin und Modest Mussorgsky im Hagenhaus.
Nendeln Am 30. Jänner gastierte der deutsche Pianist Robert Neumann im Hagenhaus und bot dem Publikum einen außergewöhnlichen Konzertabend. Mit seinen erst 23 Jahren zeigte er eine künstlerische Reife, die weit über bloße Virtuosität hinausging. Er ließ keine Note beiläufig erklingen, sondern gestaltete jede einzelne mit größter Hingabe und schuf eine Atmosphäre seltener Konzentration: leidenschaftliche Ausbrüche wechselten mit feinsten Nuancen, impulsive Kraft mit fast zerbrechlicher Zartheit. Besonders beeindruckend war Neumanns Fähigkeit, innerhalb von Sekunden zwischen diesen Gegensätzen zu wechseln.

Robert Neumann wuchs in einer Musikerfamilie auf und erhielt bereits im Alter von vier Jahren Unterricht bei Monika Giurgiuman. Mit elf Jahren begann er das Jungstudium, mit fünfzehn wechselte er als regulärer Student in die Klasse von Elza Kolodin an der Musikhochschule Freiburg. Sein Ausnahme-Talent wurde mehrfach ausgezeichnet. Er gewann zahlreiche nationale und internationale Wettbewerbe, darunter den 1. Preis bei den New York Concert Artists 2023 und den Gold Award bei der NTD International Piano Competition 2024, den International Classical Music Discovery Award sowie den OPUS KLASSIK Nachwuchspreis.

Die zwölf Etüden op. 25 von Frédéric Chopin gelten als Meilenstein des romantischen Klavierrepertoires. Sie sind weit mehr als technische Studien, sondern verbinden instrumentale Brillanz mit hoher musikalischer Ausdruckskraft. Die Anforderungen an Anschlagskultur, Artikulation und Dynamik sind enorm, jede Etüde stellt ihre eigenen Herausforderungen. Neumann zeigte hier seine ganze Klasse: In der berühmten As-Dur-Etüde („Aeolische Harfe“) ließ er die Arpeggien mit schwebender Leichtigkeit erklingen, während die F-Dur-Etüde fast gesanglich anmutete. In der e-moll-Etüde baute er mit abrupten Akkordwechseln eine fast dramatische Spannung auf. Besonders beeindruckend war seine Interpretation der c-Moll-Etüde („Ozean“), deren mächtige Akkordwellen er mit großer Präzision gestaltete.

Das zweite Stück des Abends war Modest Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“. Inspiriert von einer Kunstausstellung seines verstorbenen Freundes Viktor Hartmann schuf Mussorgsky einen Zyklus, der weit über eine bloße musikalische Beschreibung hinausgeht. Neumann führte mit sicherem Gespür für Charakter und Atmosphäre durch die musikalischen Bilder. Die grotesken, abgehackten Rhythmen des „Gnomus“ setzte er mit scharfen Konturen um, während „Das alte Schloss“ mit seinen melancholischen Linien eine fast entrückte Ruhe ausstrahlte. Die „Tuilerien“ wirkten spielerisch leicht, bevor in „Bydło“ eine kraftvolle Schwere dominierte. Besonders faszinierte „Das Ballett der Küken in ihren Eierschalen“, das er mit tänzerischer Leichtigkeit spielte. Den krönenden Abschluss bildete „Das große Tor von Kiew“, das er mit beeindruckender Klanggewalt gestaltete, ohne dabei an Transparenz einzubüßen.
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Robert Neumanns Spiel ist mehr als Technik, mehr als Virtuosität. Er erzählt mit der Musik, bringt Strukturen zum Klingen und gibt jedem Werk eine klare Dramaturgie. Im Hagenhaus bewies er, dass er nicht nur ein begnadeter Pianist, sondern auch ein außergewöhnlicher Interpret ist. Das begeisterte Publikum feierte ihn mit lang anhaltendem Applaus – ein Abend, der in Erinnerung bleiben wird.