Eine Verneigung auf Augenhöhe

Kerstin Türtscher zollt der Sängerin Nancy Wilson (1932-2018) Tribut.
Bregenz Denkt man an Jazz-Sängerinnen, dann kommen einem erst mal (je nach Geschmack) Namen wie Sarah Vaughan oder Billie Holiday in den Sinn. Bei Nancy Wilson müssen viele schon die Suchmaschine oder den Streamingdienst ihres Vertrauens zurate ziehen. “Das ist allerdings nur in Europa so”, weiß Sängerin Kerstin Türtscher (28). “In den USA ist der Blick auf Wilson ein komplett anderer.” Auch das ist ein Grund, warum Türtscher sich gerade Wilsons Werk zur Brust genommen hat. “Nancy Wilson ist – so wie ich – keine typische Jazz-Sängerin. Durch ihre Zusammenarbeit mit Cannonball Adderley wurde sie zwar früh in ihrer Karriere in den Jazz-Adel erhoben, was sie aber nicht davon abhielt, auch in der Popularmusik ihr Glück zu suchen und auch zu finden.” Wem es gelingt, 34 Alben in den US-Charts zu platzieren und mehrere Grammys in verschiedenen Kategorien einzuheimsen, dem kann man fürwahr keine Genre-Engstirnigkeit vorwerfen.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Youtube angezeigt.
Wenn über Wilson geschrieben wird, fällt auch immer der Begriff Song-Stylistin. “In meinem Verständnis bedeutet das, dass ihr Fokus klar dem Storytelling lag. Sie arbeitete sich mit einem schauspielerischen Ansatz in eine Rolle hinein und improvisierte nicht”, deutet Türtscher, die in Graz Gesang studiert hat, diesen Begriff. Dazu darf nicht unerwähnt bleiben, dass Wilson das Glück hatte, immer mit hervorragenden Arrangeuren die Klassiker aus dem Great American Songbook im Studio umzusetzen. Diesen Luxus hat Türtscher nicht. Das ist aber auch ihrem hohen Anspruch an ihre eigene Arbeit geschuldet. Für “A Tribute to Nancy Wilson” hat sie fast alle Arrangements selbst geschrieben (zwei kommen aus der Feder von Pianist Dominik Wachtel), denn für sie ist das Arrangement genauso wichtig wie die Komposition an sich. “Es hat Spaß gemacht, die Lieder so oft zu hören, bis man sie auswendig kann, um dann mit der Lupe immer näher heranzugehen und herauszufiltern, was für das Lied eigentlich wichtig ist. Wenn man keine Big Band zur Verfügung hat, muss man zwangsläufig reduzieren”, berichtet Türtscher von diesem Prozess. Ist das nicht extrem viel Arbeit? „Ja, aber es ist besser, die Arrangements selbst zu machen, als sie zu stehlen – was diesmal zugegebenerweise nicht zu hundert Prozent gelang.“ Manche der alttestamentarischen Gebote werden eben auch in der Jazz-Szene noch hochgehalten.

Der Gedanke, dieses Programm zu gestalten, kam der Dornbirnerin im Laufe des letzten Jahres. Und wie so oft braucht es einfach mal ein fixes Datum, auf das man hinarbeiten kann. Ob sich diese Arbeit gelohnt hat, wird am Mittwoch, 12. Februar, 20.30 Uhr, im Foyer des Bregenzer Theater Kosmos abgeprüft, wenn Kerstin Türtscher mit Dominik Wachtel (Piano), Vincent Rein (Bass) und Konstantin Kräutler Horvath (Drums) die Bühne betritt. Im Anschluss an das Konzert lädt eine offene Session zum musikalischen Netzwerken und gleichsam zur Stärkung der Szene ein. Ein schönes Detail am Rande: der Eintritt ist frei.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Youtube angezeigt.
Für diesen Abend hat die Sängerin zehn Lieder ausgewählt, welche inhaltlich Bezug auf ihr eigenes Leben haben. Alles im Dienste der Authentizität. “Bei ,Guess Who I Saw Today’ war die Entscheidung am schwersten. Das ist musikalisch wie inhaltlich eines der schwierigsten Lieder, die ich je gesungen habe.” Man merkt: Die Auseinandersetzung mit Nancy Wilson hat auch aus Kerstin Türtscher eine Song-Stylistin gemacht.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Youtube angezeigt.
Das Time-Magazine nannte Wilson im Jahr 1964 die „voraussichtliche Erbin von Ella Fitzgerald“. Ob Türtscher je eine ähnliche Würdigung in diesem Periodika erhält, bleibt abzuwarten. Es wurden allerdings schon wesentlich verrücktere Dinge geschrieben.
Jazz im Foyer, 12. Februar, 20.30 Uhr, im Theater Kosmos, Mariahilfstraße 29, Bregenz