„mir ist nicht bange / ich kann noch lange“

Gerhard Rühm feierte in Wien seinen 95. Geburtstag.
Wien Der Universalkünstler Gerhard Rühm feierte am Mittwoch, 12. Februar, seinen 95. Geburtstag. Das mumok, in dessen Sammlung sich seit 2022 der malerische Nachlass Rühms befindet, lud aus diesem Anlass zu einem Fest, bei dem der “Sprachzerstörer” ein Sprechkonzert gab. „Ich bin überwältigt von dieser großartigen Veranstaltung“, sagte Rühm gerührt, bevor er mit seinem Programm begann. Bereits in einem Interview im Februar hatte er seinen Gesundheitszustand als „erstaunlich gut“ bezeichnet. Diese Vitalität betonte auch Karola Kraus, Generaldirektorin des mumok, in ihren Glückwünschen. Gleichzeitig empfinde er den Verlust seiner engen Freunde als „das Traurigste am Altwerden“, darunter Oswald Wiener, Günter Brus oder Friederike Mayröcker.

Im Mittelpunkt standen neue Laut- und Liebesgedichte, darunter Texte über „suchende Blumen“ und „magische Annäherungen“. Obwohl Rühm vor zwei Jahren seine Frau verlor, macht ihm das Alter wenig aus: „Man kann auch mit 95 noch Liebesgedichte schreiben.“ Aus den „ungleichen brüdern“ zitierte er: „kain schlief mit den schwestern / abel war von gestern“ und weiter: „kain war alt, uralt / abel starb schon bald.“

Seit den 1950er Jahren prägte Rühm die österreichische Avantgarde in Literatur, Musik und bildender Kunst. 1964 siedelte er nach Deutschland über, weil er in Wien nicht publizieren konnte. „Ich wollte eine radikaldemokratische Sprache machen“, sagt er. Trotz seiner 95 Jahre ist Rühm ein Vielbeschäftigter geblieben: Kürzlich erschien im Ritter-Verlag „zugvögel – 36 prosa-miniaturen + eine zugabe“, eine Gemeinschaftsarbeit mit der Künstlerin Martina Kudláček. Ihr Schreibverfahren knüpft an die Experimente der Wiener Gruppe an. Für April ist eine Retrospektive in der Neuen Galerie Graz geplant. Darüber hinaus arbeitet Rühm an einem „utopischen Projekt“ zur Charta der Menschenrechte: Am 22. Februar sollen 1.400 Menschen vor dem Wiener Volkstheater die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ rezitieren. Jede Person trägt einzelne Passagen vor, die später zu einem Ganzen zusammengefügt werden.
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Einen besonderen Gruß erhielt Rühm in Form einer Videobotschaft von Elfriede Jelinek, die in Rühm’scher Manier ein Gedicht über Menschen und Automaten vortrug. „Ich schätze Elfriede Jelinek außerordentlich“, kommentierte der Jubilar. Anschließend versuchten Experten wie Heike Eipeldauer, Hartmut Krones und Edek Bartz, das transgressive Werk der Künstlerin zu beleuchten – und kamen zu dem Schluss: “Es gibt keinen wie ihn”.