Seelendramen in der Halfpipe

Kultur / 25.02.2025 • 13:26 Uhr
La Clemenza di Tito
Seelendramen stehen auch Mittelpunkt der Neuinszenierung von “La Clemenza di Tito”. birgit gufler

Mozarts „La Clemenza di Tito“ feierte am Tiroler Landestheater in Innsbruck Premiere.

Innsbruck Mit der Milde des Titus ist es so eine Sache. Der römische Kaiser, nach dem Vorbild des Titus Vespasianus konzipiert, verzeiht den Verschwörern, die ihn ermorden wollten, darunter sein bester Freund Sextus und die Kaisertochter Vitellia, die er zur Gemahlin gewählt hat. Im Libretto von Caterino Mazzolà, das Mozart für die Krönung von Leopold II. zum böhmischen König 1791 vertonte, dient die Geschichte als Fürstenspiegel, die den Herrscher auf Mildtätigkeit verpflichten soll. Was uns heute daran interessiert, sind aber die unverwechselbaren menschlichen Charaktere, die Mozart aus den stereotypen Figuren einer Opera seria geschaffen hat.

La Clemenza di Tito
Die Neuinszenierung in Innsbruck ist vor allem in musikalischer Hinsicht ein Erlebnis. birgit gufler

Diese Seelendramen stehen auch im Mittelpunkt der Neuinszenierung des „Tito“ in Innsbruck. Die Regisseurin Mirella Weingarten, die auch das Bühnenbild und zusammen mit Leah Watzdorf die Kostüme verantwortet, macht keinen Versuch einer politischen Aktualisierung. Sie lässt die Figuren in einer Art Halfpipe agieren, an deren Wänden sie öfters emporklimmen und dann wieder herunterrutschen, was ihr Gefangensein im Machtgefüge versinnbildlichen soll – eine nachvollziehbare Idee, die aber optisch nicht befriedigt.

La Clemenza di Tito
Regisseurin Mirella Weingarten versucht keine politische Aktualisierung. birgit gufler

Zwei Stunden nur eine mondsichelartig gewölbte Röhre als Bühnenbild, da fühlt man sich bereits wie in der szenischen Fastenzeitalfpip agierenH. Nur beim Brand des Kapitols mit Rauchschwaden und orangerotem Licht kommt etwas Farbe und Bewegung ins Spiel. Besser funktioniert die reduzierte Spielfläche im 2. Akt: Zu Beginn wirkt sie, kurz um 90 Grad gedreht, wie eine schützende Wand, in der Folge gerät sie manchmal ins Schaukeln und vermittelt eigentlich eher Geborgenheit als Gefangensein in Machtstrukturen.

La Clemenza di Tito
Die Figuren agieren in einer Art Halfpipe, an deren Wänden sie öfters emporklimmen und dann wieder herunterrutschen. birgit gufler

Die Kostüme erinnern nur ganz entfernt an die Römer, sie wirken leicht asiatisch-exotisch und märchenhaft. Alle Protagonisten tragen hinten einen langen Zopf. Nur Tito und Publio, die Repräsentanten der Staatsmacht, treten mit langen grauen Zottelhaaren auf, was sie wie Zombies aussehen lässt – soll uns das auf die Hinfälligkeit der Macht hinweisen? Rätselhaft bleibt, warum alle den linken Arm schwarz gefärbt haben. Das singende Personal wird überflüssigerweise durch eine Tänzerin (Catherine Jaeger) ergänzt, die das Gewissen verkörpern soll. Titus schleppt sie einmal auf dem Rücken mit sich, sie gesellt sich auch zu Sesto und Vitellia. Durch die weitgehende Stilisierung bekommt das Ganze fast etwas Puppenhausartiges.

La Clemenza di Tito

Auch wenn die Regie nicht befriedigt, kann dieser „Tito“ doch musikalisch fesseln; Mozart hat hier einfach hinreißende Musik geschaffen. Gerrit Prießnitz führt das Symphonieorchester Tirol mit flüssigen Tempi und differenziert durch die Partitur. Auch der Opernchor ist bestens disponiert. Camilla Lehmeier als Sesto gestaltet ihre extrem zerrissene Rolle zwischen Liebe, Freundschaft, Verrat und Reue klangschön und menschlich absolut überzeugend.

La Clemenza di Tito

Die von Rache angetriebene Vitellia ist mit Anastasia Lerman etwas zu lyrisch besetzt, doch in ihrer großen Arie „Non più di fiori“ passen die fahlen tiefen Töne sehr gut zu der Todesangst, die sie dabei schüttelt. Einprägsam, wenn auch ein wenig gepresst, klingt der Tito von Uwe Stickert: Das ist kein blutleerer Tugendpopanz, sondern ein auch zu Wut und Rachegefühlen fähiger Mensch, der sich überwindet. Oliver Sailer verleiht dem Publio mit seinem wohlklingenden Bass souveräne Würde. Annina Wachter als beherzte Servilia und Bernarda Klinar als Annio komplettieren das erfreuliche Ensemble.

Ulrike Längle

„La Clemenza di Tito“

Musikalische Leitung: Gerrit Prießnitz
Tito: Uwe Stickert
Vitellia: Anastasia Lerman
Servilia: Annina Wachter
Sesto: Camilla Lehmeier
Annio: Bernarda Klinar
Publio: Oliver Sailer
Das Gewissen: Catherine Jaeger
Die junge Vitellia: Pia Seebacher
Orchester: Tiroler Symphonieorchester Innsbruck
Chor: Chor des Tiroler Landestheaters