Kunst auf offener Straße

Kultur / 11.04.2025 • 15:36 Uhr
Auf der Strasse
Die Ausstellung “Auf der Strasse” reflektiert, wie Künstler die Straße begehen, beleben, befragen. sandra maier

Ausstellung im Kunstmuseum Liechtenstein öffnet den Blick für den öffentlichen Raum

Vaduz Vom 11. April bis 31. August lädt das Kunstmuseum Liechtenstein dazu ein, die Straße neu zu entdecken – als Bühne des Alltags, als Schauplatz des Protests, als Ort der Poesie. Unter dem Titel „Auf der Strasse“ versammelt die Ausstellung künstlerische Positionen seit den 1960er-Jahren, die den öffentlichen Raum nicht nur als Kulisse, sondern als aktiven, wandelbaren Ort des gesellschaftlichen Lebens begreifen. Sie reflektiert, wie Künstlerinnen und Künstler die Straße begehen, beleben, befragen – und dabei den sogenannten White Cube, also den neutralen Museumsraum, bewusst verlassen.

Auf der Strasse
Die Ausstellung im Kunstmuseum Liechtenstein dauert vom 11. April bis 31. August. sandra maier

Denn seit mehr als einem halben Jahrhundert wird der öffentliche Raum von der Kunst nicht nur als Ort des Wirkens, sondern auch als politisches und soziales Gegenbild zur musealen Welt des Stillstands verstanden. Wo einst der White Cube das Ideal moderner Präsentation war, beginnt mit der Straße ein anderes Erzählen – ein Erzählen in Bewegung, im Dazwischen, im Unfertigen. Die Ausstellung folgt diesem Narrativ und verbindet künstlerische Strategien mit Fragen nach öffentlicher Sichtbarkeit, kollektiver Erfahrung und sozialen Praktiken.

Auf der Strasse

Im Zentrum der Ausstellung stehen vier thematisch gegliederte Oberlichtsäle, die jeweils ein spezifisches Verhältnis von Kunst und Straße fokussieren.
Im Raum I: Auflesen geht es um das Sammeln, Aufspüren und Sichtbarmachen von Spuren im urbanen Raum, als poetische wie existenzielle Geste. Im Raum II: Gehen wird die Straße zur Bühne, das Gehen selbst zur künstlerischen Praxis und zur Metapher menschlicher Erfahrung. Unsichtbare Handlungen wie Fürsorge, Reinigung und Instandhaltung erhalten im Raum III: Maintenance – ihren künstlerischen Ausdruck. Und schließlich Raum IV: Protest und Leben auf der Straße, der wohl politischste Raum, widmet sich dem Widerstand, dem Leben im öffentlichen Raum, der Migration, den Gefühlen und dem sozialen Wandel.

Auf der Strasse

Diese Themen werden durch Werke von über dreißig Künstlerinnen und Künstlern wie Joseph Beuys, Majd Abdel Hamid, Anna Jermolaewa, Pope.L, Mierle Laderman Ukeles, Klara Lidén, Agnès Varda und vielen anderen zum Leben erweckt. Auch das lokale Kollektiv Salon Liz ist vertreten und unterstreicht die Bedeutung ortsbezogener künstlerischer Praxis.

Auf der Strasse

„Auf der Strasse“ ist mehr als eine klassische Ausstellung. Sie ist ein Einladung zum Flanieren, zum Innehalten, zum Mitdenken. Zahlreiche performative und situative Arbeiten beziehen sich direkt auf den Stadtraum rund um das Kunstmuseum und regen an, auch jenseits der Museumswände über Teilhabe und Sichtbarkeit nachzudenken. Die Straße wird zum Resonanzraum für Fragen nach Zusammenleben, Fürsorge, politischem Handeln und urbaner Poesie.

Auf der Strasse

Ein besonderes Vermittlungsformat begleitet die Ausstellung: Der Reader „Auf der Strasse“ besteht aus gefalteten DIN-A2-Plakaten zu jedem Beitrag. Auf der einen Seite zeigt sich ein zentrales Werkmotiv, auf der anderen ein erläuternder Text in Deutsch und Englisch – ergänzt durch weitere Bildquellen.

Auf der Strasse

Mit dieser Ausstellung setzt das Kunstmuseum Liechtenstein einmal mehr ein Zeichen für eine Kunst, die sich nicht mit dem Schutzraum des Museums begnügt, sondern sich in das Leben mischt – unmittelbar, irritierend, inspirierend.