Jubiläumsschubertiade: Ein Fest der Musik

Kultur / 17.04.2025 • 20:38 Uhr
Gerd Nachbauer
Gerd Nachbauer, der legendäre Leiter des international höchst anerkannten Festivals. vn/hofmeister

Das bedeutendste Schubert-Festival der Welt findet in diesem Jahr zum 50. Mal statt.

Hohenems Elisabeth Schwarzkopf, Karl Böhm, Nikolaus Harnoncourt, Dietrich Fischer-Dieskau, Peter Schreier, Thomas Quasthoff, András Schiff, Alfred Brendel, Paul Lewis oder Igor Levit sowie Kammermusikensembles wie das Alban Berg Quartett, das Hagen Quartett, das Artemis Quartett oder das Emerson Quartett sind nur ein paar Beispiele für die zahlreichen Weltstars, die bei der Schubertiade dirigiert, gesungen oder gespielt haben. In diesem Jahr findet ab dem 26. April die 50. Schubertiade in Hohenems statt. Aus diesem Anlass haben wir uns mit Gerd Nachbauer, dem Gründer, Geschäftsführer und künstlerischen Leiter des weltberühmten Festivals, getroffen.

Welche Erinnerungen haben Sie an die allererste Schubertiade 1976 im Rittersaal des Palastes Hohenems?

Die Atmosphäre war damals geprägt von großer Aufregung – nicht zuletzt, weil die Renovierung des Rittersaals kurz zuvor abgeschlossen worden war und plötzlich akustische Probleme auftraten. Wir mussten im letzten Moment improvisieren und haben als akustische Notlösung zum Beispiel einen Teppich aufs Podium gelegt. Vermutlich hatte der jahrzehntelang angesammelte Staub an den kahlen Wänden früher einiges geschluckt. Jetzt war der Raum „nackt“ – und die Nachhallzeit entsprechend verändert. Trotz aller Hektik ging alles gut, aber es war ein denkbar nervöser Start.

Gerd Nachbauer
Die Schubertiade wurde in einer Liste der zehn führenden Festivals der Welt an fünfter Stelle gelistet. vn/hofmeister

Hermann Prey wollte ursprünglich alle Werke Schuberts chronologisch aufführen lassen. Warum ließ sich dieses ambitionierte Vorhaben letztlich nicht umsetzen?

Die Idee war großartig – aber finanziell einfach nicht tragbar. Die Subventionsgeber waren nicht bereit, für diese spezielle Aufführungspraxis mehr Mittel bereitzustellen. Und das Repertoire hätte in den ersten Jahren fast ausschließlich aus unbekannten Schubert-Werken bestanden, die weder Publikumsmagnet noch Garant für prominente Interpreten gewesen wären. Es drohte also ein doppeltes Risiko – künstlerisch und wirtschaftlich. Ich musste Hermann Prey schließlich erklären, dass wir das so nicht verantworten konnten. Diese Entscheidung führte dann auch zu anhaltenden Spannungen, die ihn 1980 veranlassten, seinen Rücktritt als künstlerischer Leiter bekanntzugeben. Sein letztes Konzert gab er dann 1981.

Gerd Nachbauer mit Hermann Prey in den Gründerjahren.  Archiv, VN
Gerd Nachbauer mit dem damals weltberühmten Opern- und Liedsänger Hermann Prey in den Gründerjahren.  Archiv, VN

Welche Bedeutung hatte es, dass Größen wie Dietrich Fischer-Dieskau und Nikolaus Harnoncourt erstmals 1983 zur Schubertiade kamen?

Mit Harnoncourt begann jener Impuls, der heute selbstverständlich erscheint: dass sich Vertreter der Originalklangbewegung dem klassisch-romantischen Repertoire zuwandten. Und das geschah – mit Hohenems als Bühne. Was Fischer-Dieskau betrifft: Er stand bereits auf unserer Wunschliste für die allererste Schubertiade. Doch er lehnte ab – wie ich später erfuhr, hatte auch er die Idee einer Schubert-Festivalreihe und empfand wohl, dass Hermann Prey ihm damit zuvorgekommen war. Erst nach Preys Rückzug war es möglich, ihn zu gewinnen. Schon von Beginn an zählte die Schubertiade Hohenems zu einem der bekanntesten Festspielorte. 1988 wurde das Festival im „Courvoisier’s Book of the Best“, das von Lord Lichfield, einem Verwandten von Queen Elizabeth II., in London herausgegeben wurde, in einer Liste der zehn führenden Festivals der Welt an fünfter Stelle gelistet. Diese Aufnahme in die Liste war ein Zeugnis der weltweiten Wahrnehmung. Namen wie Bayreuth, Salzburg, Glyndebourne, Spoleto – und dann Hohenems. Viele waren überrascht. Aber es bestätigte uns auch, dass unsere Linie – künstlerisch wie programmatisch – international verstanden wurde. In der Folge kamen immer mehr Medienberichte aus dem Ausland, immer mehr Besucher aus Übersee. Es wurde spürbar, dass wir Teil eines größeren kulturellen Zusammenhangs geworden waren.

Was war ausschlaggebend dafür, die Schubertiade 1991 vollständig nach Feldkirch zu verlegen?

Ende der 1980er-Jahre kündigte das Land Vorarlberg eine große Landesausstellung im Palast Hohenems an. Ohne Rücksprache wurde uns signalisiert, dass unsere Vereinbarungen obsolet seien – das Land hatte nun selbst einen Vertrag mit dem Eigentümer. Wir waren faktisch aus dem Haus gedrängt. Als dann auch noch Konzertzeiten und Probemöglichkeiten stark eingeschränkt wurden, zog ich die Reißleine. Schwarzenberg – bereits seit 1994 Ziel der damaligen „Landpartien“ – wurde in der Folge zum Hauptschauplatz der Schubertiade.

Jubiläumsschubertiade: Ein Fest der Musik

Was macht für Sie den Angelika-Kauffmann-Saal so einzigartig?

Der in schlichter Holzbauweise errichtete Saal mit heute rund 600 Sitzplätzen besticht nicht nur durch seine einzigartige Lage inmitten einer beschaulichen Wiesen- und Berglandschaft, sondern bietet auch perfekte akustische Bedingungen, die Künstler und Publikum gleichermaßen ins Schwärmen bringen und von der internationalen Presse mit zahlreichen Superlativen bedacht wurde. So zählte ihn die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ – zusammen mit dem Mozart-Saal des Wiener Konzerthauses und dem Salzburger Mozarteum – zu den drei besten Kammermusiksälen Österreichs, während „Die Welt“ den Angelika-Kauffmann-Saal mit der Londoner Wigmore Hall verglich. Er ist ein Musterbeispiel für Akustik, Atmosphäre und hervorragende Architektur.

Mit der Eröffnung des Markus-Sittikus-Saals im Jahr 2005 – also einer Unterbrechung von 15 Jahren – kehrte die Schubertiade nach Hohenems zurück.

Es bot sich damals die Möglichkeit, die unter Denkmalschutz stehende Turn- und Mehrzweckhalle, die in die Jahre gekommen war, langfristig anzumieten, grundlegend zu renovieren und so in einen Kammermusiksaal erster Güte zu verwandeln. Ich nahm den Umbau selbst in die Hand, mit dem bewährten Akustiker Karl Brüstle, und die Resonanz war überwältigend. Der Cellist Heinrich Schiff beispielsweise sprach von einer „Traumadresse für Kammermusik“. Tatsächlich zählt der Saal zu den besten Sälen für Kammermusik und Liedgesang weltweit, weshalb er auch für zahlreiche CD-Aufnahmen genutzt wird. Er trägt den Namen Markus-Sittikus-Saal übrigens zur Erinnerung an den Grafen Markus Sittikus von Hohenems (1574-1619), der als Salzburger Fürsterzbischof nicht nur das Stadtbild mit dem Bau des Domes und von Schloss Hellbrunn wesentlich geprägt, sondern mit den ersten Opernaufführungen außerhalb Italiens auch die große Operntradition Salzburgs begründet hat.

Gibt es eine spezielle künstlerische Begegnung oder ein Konzert aus all den Jahren, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Eines der eindrücklichsten Erlebnisse war sicher der Besuch von Sviatoslav Richter 1979. Geplant waren vier Konzerte, zwei Programme je zweimal. Doch schon bei der Ankunft hatte er Zahnschmerzen – ein Pariser Zahnarzt hatte gepfuscht. Nach einer Notbehandlung in Hohenems – übrigens in jener Villa, die jetzt das Literaturhaus Vorarlberg beherbergt – spielte er das erste Konzert. Doch danach verweigerte er das zweite Programm – spielte stattdessen noch zweimal das erste, mit gelegentlichen Ergänzungen. Erst am letzten Tag hörte das Publikum endlich das lang ersehnte zweite Programm.

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Wie sehen Sie die Zukunft der Schubertiade, und welche Wünsche haben Sie für das Festival in den nächsten Jahren?

Die Schubertiade finanziert sich seit 1991 rein über die Kartenerlöse, ist also zu 100% von der Gunst des Publikums abhängig. Und da hat Corona doch vieles verändert. Das Reiseverhalten, die Aufenthaltsdauer, die Erwartungshaltung des Publikums. Früher konnte man an bestimmten Buchungsständen frühzeitig Entwicklungen ablesen – heute kaufen viele sehr kurzfristig. Das Publikum wird wechselhafter, ältere Stammgäste kommen seltener, dafür gibt es mehr Rotation. Prognosen, wie sie vor ein paar Jahren noch möglich waren, sind heute kaum mehr seriös zu treffen – zu viele politische und wirtschaftliche Unsicherheiten wirken hinein.