Die Malerin, die Mann und Nationalsozialistin wurde

Ein Roman von Brigitte Herrmann über die Lustenauerin Stephanie Hollenstein.
bregenz Die Autorin Brigitte Herrmann stellte am Donnerstagabend im Vorarlberger Landestheater ihr Buch “Die Suche nach der eigenen Farbe – Das widersprüchliche Leben der Malerin Stephanie Hollenstein” vor, eine Romanbiografie, die tiefe Einblicke in das bewegte Leben einer begabten und zugleich ambivalenten Künstlerin gibt.

Stephanie Hollenstein, geboren in Lustenau, hatte zeitlebens mit gesellschaftlichen Grenzen und persönlichen Unsicherheiten zu kämpfen. Bereits mit 18 Jahren wagte sie den Schritt nach München, um ihrer Berufung als Malerin und Zeichenlehrerin zu folgen. Ihr kompromissloses Streben nach Freiheit zeigte sich radikal, als sie sich im Ersten Weltkrieg als Mann verkleidete und unter dem Namen Stephan Hollenstein an der Front in Südtirol kämpfte. Diese außergewöhnliche Tat steht sinnbildlich für ihren lebenslangen Widerstand gegen festgefahrene Rollenbilder und ihre Sehnsucht nach Akzeptanz – als Künstlerin und als lesbische Frau.

Die Romanbiografie von Brigitte Herrmann zeigt, wie Hollensteins künstlerischer Weg untrennbar mit ihrer privaten Identitätssuche verbunden war. Durch einen schweren Unfall in der Zwischenkriegszeit geriet sie nicht nur in eine tiefe Krise, sondern lernte auch die angehende Ärztin Franziska Gross kennen, mit der sie fortan eine innige Liebe verband.

Doch Stephanie Hollensteins Biografie besteht nicht nur aus beeindruckenden künstlerischen Erfolgen und persönlichem Mut. Über ihrem Leben liegt ein Schatten, geprägt von ihren Entscheidungen in der Zeit des Nationalsozialismus. Schon vor dem “Anschluss” Österreichs sympathisierte sie mit der NS-Ideologie und wurde später zu deren glühender Anhängerin. Gerade dieser Bruch bildet eine zentrale Achse in Herrmanns Werk, das detailliert und kritisch die komplexen Wechselwirkungen zwischen künstlerischem Anspruch, moralischer Verantwortung und politischer Verstrickung aufzeigt.

Bei der Buchvorstellung betonte Brigitte Herrmann auch die Schwierigkeit, Hollensteins queere Identität mit ihrem Engagement im NS-Regime in Einklang zu bringen. Gerade dieser Widerspruch macht das Porträt der Stephanie Hollenstein faszinierend und beklemmend zugleich. Herrmanns Roman zeichnet kein einfaches Schwarz-Weiß-Bild, sondern arbeitet differenziert heraus, wie gesellschaftlicher Druck und persönlicher Ehrgeiz oft zu fragwürdigen Kompromissen führten. Sehr anschaulich schildert Herrmann auch, wie die eigene, in einem streng katholisch-konservativen Umfeld verborgene Sexualität Stephanie Hollenstein prägte. Das Bedürfnis nach Anerkennung, gepaart mit dem Drang, offen zu leben und zu lieben, stieß immer wieder an gesellschaftliche Grenzen und führte zu einem Leben voller Heimlichkeiten und innerer Spannungen.

Zugleich wirft Herrmanns Werk grundsätzliche Fragen auf: Wie gehen wir heute mit Kunst um, deren Schöpfer sich moralisch schuldig gemacht haben? Welche Verantwortung tragen wir als Gesellschaft, wenn wir an das Erbe solcher Künstlerinnen und Künstler erinnern? „Die Suche nach der eigenen Farbe“ ist damit mehr als eine Künstlerbiografie – es ist eine Untersuchung über Erfolg, Schuld und das Spannungsfeld zwischen Privatheit und öffentlicher Verantwortung. Brigitte Herrmanns Roman liefert eine notwendige, kritische und zugleich einfühlsame Annäherung an eine historische Persönlichkeit, die in ihrer Widersprüchlichkeit exemplarisch für viele Biografien des 20. Jahrhunderts ist.