Kunst als spiritueller Prozess

„Baumseele – Weltseele“: Skulpturen von Marco Bruckner an sieben Orten in Bregenz.
Bregenz Von Mai bis Oktober wird Bregenz zum Schauplatz einer künstlerischen Begegnung im öffentlichen und sakralen Raum. Unter dem Titel „Baumseele – Weltseele“ präsentieren die Evangelische Pfarrgemeinde A. und H.B. sowie die Katholische Kirche Bregenz eine Ausstellung des jungen Holzbildhauers Marco Bruckner, verteilt auf sieben Stationen in der Stadt – Orte, an denen Kunst und Kontemplation miteinander verschmelzen: Nepomukkapelle, Herz Jesu, St. Gallus, Kreuzkirche am Ölrain, St. Kolumban, Mariahilf und St. Gebhard.

Im Mittelpunkt steht die Frage: Was kann uns die Begegnung mit Kunst eröffnen? Die Antwort liegt nicht in fertigen Interpretationen, sondern in der Einladung zum persönlichen Erleben. Momente des Staunens, des Innehaltens und der Besinnung sind es, die Bruckners Skulpturen ermöglichen – Momente, die wie stille Geschenke in den Alltag hineinwirken. Die Skulpturen des 1996 im Chiemgau geborenen Künstlers sind aus Holz – elementar, archaisch, auf das Wesentliche reduziert. Nach einer Ausbildung zum Holzbildhauer fand er zu einer ausdrucksstarken, reduzierten Formensprache, die zunehmend internationale Anerkennung findet. Mit der Kettensäge als Hauptwerkzeug formt Bruckner rohe Baumstämme zu Zeichen des Innehaltens. Dabei geht es ihm nicht um Repräsentation, sondern um Präsenz: Seine Arbeiten wollen nicht erklären, sondern auffordern. Sie stehen im Raum – und laden den Betrachter ein, sich hineinzustellen, sich berühren zu lassen, in einen stillen Dialog mit sich und der Welt zu treten.

Dieser künstlerisch-spirituelle Zugang wird durch Impulstexte von Dr. Christine Anker vertieft, die in intensiven Gesprächen mit dem Künstler entstanden sind. Sie geben keine Deutungen vor, sondern schaffen Denkräume – Resonanzräume -, die die eigene Wahrnehmung anregen und erweitern. Konzeptionelles Fundament der Ausstellung ist die Theorie U des Wirtschaftswissenschaftlers und MIT-Dozenten Otto Scharmer – ein Modell für persönliche und gesellschaftliche Transformation. Inmitten von Unsicherheit und Krisen ruft es nicht zur Beschleunigung, sondern zum Innehalten auf: wahrnehmen, was ist – erspüren, was werden will – den Wandel im Innersten zulassen. Diese Haltung prägt auch Bruckners künstlerisches Schaffen: Nicht der Lärm der Welt steht im Mittelpunkt, sondern die Stille des Werdens.
Ein Skulpturenweg durch die Stadt

Jede der sieben Skulpturen markiert einen Ort des Übergangs – von der Bewegung zur Ruhe, vom Alltag zur Tiefe. Die Orte sind bewusst gewählt: Kirchenräume, Kapellen, Orte spiritueller Prägung werden zu offenen Galerien, die nicht nur Kunst-, sondern auch Glaubens- und Stadtbesucher/innen ansprechen. So verbindet sich die Seele des Baumes, das durch die Hand des Künstlers verwandelte Naturmaterial, mit der Seele der Welt, mit dem, was uns Menschen im Innersten verbindet.
Info: Baumseele – Weltseele