Matou, die Katze die kein Mensch sein will

Eine wundervolle Homunculus-Produktion nach einer Romanvorlage von Michael Köhlmeier.
Hohenems Die Welturaufführung des Puppentheaterstücks „Matou“, das auf dem gleichnamigen Roman von Michael Köhlmeier basiert, am Donnerstagabend im Löwensaal in Hohenems war ein Abend voller poetischer Kraft, erzählerischer Raffinesse und handwerklicher Präzision. Der Autor hatte dem Ensemble bei der Umsetzung seines Romans freie Hand gelassen, sodass ein Bühnenwerk entstanden ist, das dem literarischen Original in seiner Tiefe und Vielstimmigkeit nahekommt und dennoch ganz eigenes Theater ist: reizend, witzig, berührend.

Michael Köhlmeiers „Matou” ist ein sprachgewaltiger und vielschichtiger Roman, der literarisches Vergnügen mit philosophischer Tiefenschärfe verbindet. Mit überschäumender Erzählfreude und einem ebenso eigensinnigen wie klugen Ich-Erzähler entwirft der Autor nicht nur ein opulentes Panorama europäischer Geschichte, sondern stellt zugleich grundlegende Fragen nach dem Wesen des Menschen. Ein außergewöhnliches Buch, das gleichermaßen unterhält, herausfordert und begeistert.

Die Inszenierung beginnt nicht, wie im Roman, mit dem Kater bei einem Philosophieprofessor in Paris, sondern mit einer Lesesituation: Matou präsentiert seine eigene Biografie. Dieser Kunstgriff bietet einen klaren erzählerischen Rahmen und dient zugleich als Einstieg in ein episodisch strukturiertes Figuren- und Geschichtsgeflecht. Dessen Spannweite reicht von historischen Konstellationen bis zu philosophischen Reflexionen, die präzise, atmosphärisch eindringlich und in verdichteter Form aufbereitet sind.

Regisseur Hans Jochen Menzel entwickelt eine strukturierte Inszenierung, die zwischen humorvollen Passagen und existenziellen Themen changiert. Seine Rhythmusarbeit sowie die szenische Führung erzeugen eine Geschlossenheit, aus der heraus die einzelnen Episoden überzeugend hervortreten. Veronika Thieme, Anna Menzel und Pierre Schäfer überzeugen als Puppenspieler mit stimmlicher Genauigkeit, starker Präsenz und präziser Figurenarbeit. Die Charakterisierung Matous changiert zwischen Ironie, Melancholie und klarsichtiger Weltbeobachtung – seine Skepsis gegenüber menschlicher Logik bildet ein durchgehendes Motiv. Pierre Schäfer bietet als erfahrener Puppenspieler eine souveräne, vielschichtige Darstellung. Anna Menzel zeigt eine klare Figurenführung mit besonderem Fokus auf die sprachliche Gestaltung. Veronika Thieme gestaltet den Wechsel zwischen komischen und nachdenklichen Momenten dramaturgisch sehr geschickt. Ihre Spielweise verbindet gestische Prägnanz mit stilistischer Zurückhaltung.

Auch die Puppen selbst tragen zur Wirkung bei. Mit zurückhaltend gestalteter Mimik und sorgfältiger Ausstattung entstehen eigenständige Bühnenfiguren. Die Darstellung der Figuren ist weder verniedlichend noch menschelnd, sondern entwickelt eine eigene Haltung gegenüber der dargestellten Welt.

Auch kleinere technische Pannen, wie etwa ein Lichtausfall oder ein Kurzschluss, wurden von Ensemble und Publikum mit Gelassenheit und feinem Humor aufgenommen. Dadurch erhielt der Abend auf gewisse Weise einen weiteren magischen Moment.

Der Ton des Romans – sein leiser Spott, sein Interesse für Randfiguren und seine Lust am Paradox – bleibt in der Inszenierung als Grundhaltung spürbar. Zugleich gelingt es dem Theaterabend, eine eigene Form zu entwickeln, die nicht die literarische Vorlage illustriert, sondern ein eigenständiges Erzählmodell ist. Das Theater wird hier zur Reflexionsfläche, auf der sich kindliche Neugier, intellektuelle Distanz und theatrale Spielfreude begegnen. Am Ende bleibt der Eindruck eines durchdachten Puppenspielabends mit hoher gestalterischer Qualität und die Erkenntnis, dass ein sprechender Kater, der kein Mensch sein will, als Figur auf der Bühne mehr über den Zustand des Menschseins zu sagen vermag als viele anthropozentrisch erzählte Stücke.