Ein Abend im Zeichen französischer Musik

Das erste Orchesterkonzert der Bregenzer Festspiele mit Elim Chan und Rihab Chaieb
Bregenz Ein Abend französischer Farben, getragen von klanglicher Balance und klarer Form: Die Bregenzer Festspiele setzten mit ihrem ersten Orchesterkonzert ein interpretatorisches Ausrufezeichen – unter der Leitung von Elim Chan und im Dialog mit den Wiener Symphonikern: präzise, konzentriert, durchdacht.

Den Auftakt bildete Debussys Prélude à l’après-midi d’un faune, das Chan mit kontrollierter Flexibilität entwickelte. Das Flötensolo wurde aus der Stille modelliert und von Erwin Klambauer, dem Soloflötisten der Wiener Symphoniker, mit besonderer Noblesse gespielt. Die schillernden Klangfarben der Holzbläser und Harfen fügten sich in ein fein austariertes Klangbild. Dieses verlor sich nicht in impressionistischer Auflösung, sondern wahrte eine klar artikulierte Linienführung. Debussys musikalischer Symbolismus erschien dabei nicht als atmosphärisches Tableau, sondern als strukturierter Ausdruck eines Schwebezustands. Die Artikulation der Übergänge war sorgfältig abgewogen, ohne zu verflachen, und die dynamischen Spannungsverläufe wirkten nachvollziehbar entwickelt.

In Ravels Liedzyklus „Shéhérazade” konnte sich Rihab Chaieb mit schlanker Mittellage, weichem Timbre und ausdifferenzierter Phrasierung als souveräne Interpretin profilieren. In „Asie” formte sie differenzierte dynamische Bögen, in „La flûte enchantée” suchte sie den Dialog mit dem Orchester auf kammermusikalischer Ebene, während in „L’indifférent” eine bewusst kontrollierte Zurücknahme der Expressivität zu erkennen war. Chan begleitete mit präziser Reaktionsfähigkeit, legte sensible Übergänge und orchestrale Farbschichten frei, ohne den vokalen Fluss zu stören. Das Orchester trat dabei nicht in den Hintergrund, sondern bildete ein gleichwertiges Gegenüber mit tragfähiger Transparenz. Allerdings geriet Chaiebs Körpersprache über den gesamten Liederzyklus hinweg stellenweise zu theatralisch: Manche Gesten wirkten einstudiert, Bewegungen überpointiert, was dem Eindruck von Natürlichkeit bisweilen entgegenstand. Als Zugabe präsentierte sie die berühmte Habanera aus Bizets „Carmen” (L’amour est un oiseau rebelle). Ihre Stimme bewahrte auch hier ihre Qualität: klangvoll, geschmeidig und mit sicherer Höhe.

Nach der Pause wurde mit Mélanie Bonis’ Trois femmes de légende ein Werk vorgestellt, das nur selten Eingang ins Konzertrepertoire findet. Chan stellte dem dreiteiligen Charakterbild über Salome, Ophelia und Kleopatra eine schlüssige Klangdramaturgie gegenüber. Die Charakterisierungen der Titelfiguren wirkten dabei nicht illustrativ, sondern klanglich differenziert. Die psychologische Dimension blieb dabei in der Musik verankert, ohne auf narrative Zuschreibungen zurückzugreifen. Das Spiel der Wiener Symphoniker überzeugte durch flexible Bläsergruppen, tragfähige Streicher und markante Schlagwerkakzente. Chan arbeitete Kontraste und Binnenverläufe sorgfältig heraus, ohne den formalen Rahmen zu überdehnen. Zum Abschluss erklang mit La Mer eine der avanciertesten Orchesterpartituren Debussys. Chan verzichtete auf gestisches Pathos und entwickelte die drei Sätze mit kontrolliertem Formbewusstsein. „Jeux de vagues” blieb in seiner Bewegung transparent, das Finale verdichtete sich organisch zur Kulmination. Das Klangbild blieb durchhörbar, selbst in den klanglich dicht gearbeiteten Abschnitten. Die orchestrale Balance zwischen Glanz und Struktur war weitgehend überzeugend.

Elim Chan verfügt über ein ausgesprochen analytisches Dirigierprofil. Ihre Zeichengebung ist stets funktional, zielt auf strukturelle Kohärenz ab und vermeidet gestische Übercodierung. Ihre Bewegungen – ruhig, präzise und nie plakativ – unterstreichen ihren kontrollierten Zugriff auf das Klanggeschehen. Die Wiener Symphoniker setzten diese Vorgaben mit erkennbarer Detailgenauigkeit um: farblich differenziert, rhythmisch flexibel und mit hoher Klangdisziplin. Besonders im Zusammenspiel der Holzbläsergruppen zeigte sich eine bemerkenswerte Balance zwischen klanglicher Leuchtkraft und innerer Spannung.
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Es war ein konzentrierter Konzertabend, der Debussy, Ravel und Bonis in einem klar umrissenen Rahmen präsentierte – ohne dramaturgische Brüche, mit klanglicher Stringenz und einem interpretatorisch geschlossenen Zugriff auf die französische Musik um 1900.