Walter Fink

Kommentar

Walter Fink

Kommentar: Sie reformierten wieder

Kultur / 12.09.2025 • 08:30 Uhr

Vor fast genau 40 Jahren gründete ich ein Unternehmen zur Buchproduktion. Nicht so sehr aus finanziellen Gründen, denn es war klar, dass man mit solchen Büchern – wir wollten vor allem lokale Zeitgeschichte und Literatur aus Vorarlberg auf den Markt bringen – kein Geld verdienen kann. Für dieses Unternehmen suchte ich einen Namen und kam auf „fink’s verlag“. Mir machte dieser Apostroph, der eigentlich grammatikalisch nicht erlaubt war, Spaß, ich sah es als eine Art „saxon genitive“, also die englische Form der Besitzanzeige. Im anglikanischen Raum war es durchaus üblich, zum Beispiel „John’s book“ zu sagen, wenn man meinte, dass das das Buch von John war. Im Deutschen war das allerdings nicht erlaubt. Und darauf wurde ich auch immer wieder hingewiesen, wenn mir gesagt wurde, dass doch ein Name eines Verlags der deutschen Rechtschreibung entsprechen sollte. Damals. Heute dürfte ich diese Form wählen. Heute würde sie der neuen, seit 1. September wieder reformierten Rechtschreibung entsprechen. Denn da ist ein Apostroph vor dem Genitiv-s dann erlaubt, wenn die Gesamtkonstruktion ein Eigenname ist. So schnell ändern sich die Zeiten. Und die Rechtschreibung.

Die große Reform der deutschen Rechtschreibung gab es im Jahr 1996, als die gültigen Rechtschreibregeln in großem Umfang überarbeitet wurden. Es gab unglaublich viele Änderungen. Logische und weniger logische, erträgliche und weniger erträgliche. Auch viele Dichter stellten sich in der „Frankfurter Erklärung“ gegen die Reform. Elfriede Jelinek war dagegen, auch der Schweizer Adolf Muschg („Die Rechtschreibreform ist unnötig wie ein Kropf und hat keine Verbesserung gebracht, sondern nur mehr Unsicherheit geschaffen.”) Ebenso Martin Walser hätte sich gefreut, wenn die Reform zurückgenommen worden wäre: “Ich schreibe weiter, wie ich will.” So ging es auch mir – ich schrieb die Kommentare in dieser Zeitung lange nach der alten Weise, bis auch ich – wie die anderen – einsehen musste, dass es ein Kampf gegen Windmühlen war.

Aber auch die Reform wurde überarbeitet, ziemlich oft sogar: 2004 und 2006 gab es neue Regelwerke, diese wurden 2011 und 2017 aktualisiert und schließlich im Regelwerk von 2024 festgehalten. Und jetzt, 2025, gibt es schon wieder eine Reform. Kein Reförmchen, nämlich ziemlich viele Änderungen. Es gibt Neues beim Beistrich (obwohl sich da seit der großen Reform ohnehin keiner mehr an Regeln hält), beim schon angeführten Genitiv-s, beim Bindestrich und vor allem bei Anglizismen, also eingedeutschten englischen Wörtern, und bei Fremdwörtern. Und manches Alte wird wiederhergestellt: Spagetti werden wieder zu Spaghetti, Majonäse wird wieder zu Mayonnaise oder Jogurt wieder zu Joghurt.

Und nicht zuletzt gibt es Änderungen bei „f“ oder „ph“, die oft in beiden Möglichkeiten geschrieben werden können, zum Beispiel Delphin und Delfin. Aber immerhin: Meinen Philosophen haben sie mir belassen. Den kann man nicht ändern. Auch nicht die Physik und schon gar nicht das Alphabet. Wenigstens das.

Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.