Kommentar: Im Rausch der starken Bilder
Donald Trump hat wieder einmal eine Idee, wie er sich der Welt als besonders harter Kerl präsentieren könnte. Der US-Präsident postet vergangenes Wochenende auf der Social-Media-Plattform Truth Social eine KI-generiertes Bild als Anspielung auf Francis Ford Coppolas Meisterwerk „Apocalypse Now“: Trump vor martialischem Kriegshintergrund und der Skyline der von Demokraten regierten Stadt Chicago in der Pose von Colonel Kilgore, der im Film von Robert Duvall gespielt wird. Kilgores Satz „I love the smell of napalm in the morning“, „ich liebe den Geruch von Napalm am Morgen“, ist Filmgeschichte. Bei Trump heißt es heute „I love the smell of deportations in the morning“, „ich liebe den Geruch von Abschiebungen am Morgen“. Damit erweckt der Republikaner den Eindruck, Chicago mit einem möglichen Militäreinsatz zu drohen.
Belegt ist jedenfalls, dass der Präsident gegen die angeblich ausufernde Kriminalität in Chicago vorgehen will, zuvor wurde das US-Verteidigungsministerium in Kriegsministerium umbenannt. Gesichert ist auch, dass Tausende in Chicago wegen dieser Drohgebärden auf die Straße gehen, Illinois’ demokratischer Gouverneur JB Pritzker Trump als „Möchtegern-Diktator“ bezeichnet und die halbe Welt sich über Trumps Ideen aufregt. Mit dem Denkfehler, dass „Apocalypse Now“ an sich ein Antikriegsfilm ist, der die Widersprüche und den Wahnsinn des Kriegs nachzeichnet, beschäftigt sich niemand.
Hauptsache Emotion
Tatsachen und Argumente sind zweitrangig, wenn starke Bilder im Spiel sind, die politische Botschaften verbreiten. Politiker wie Trump verstehen dieses Spiel gut und bedienen sich wohl auch des „Picture Superiority“-Effekts, der das Phänomen beschreibt, dass Menschen sich Bilder besser als Worte einprägen. Drastische Bilder können so nachhaltiger beeindrucken als sachliche Texte. Die Macht der Bilder und Affekte in der politischen Kommunikation ist groß, es kommt allerdings darauf an, wie Öffentlichkeit und Medien solche Bilder behandeln.
Petra Bernhardt, Politikwissenschafterin und Expertin für visuelle Kommunikation, hat etwa vergangenes Jahr im Nachrichtenmagazin „profil“ anhand des Beispiels von Donald Trump die trügerische „Macht“ der Bilder analysiert. „Selbst die stärksten Bilder, die sich einprägen und denen man sich kaum entziehen kann, machen noch keine Geschichte. Menschen machen Geschichte, indem sie Bilder gezielt einsetzen“, schreibt Bernhardt. Der Umgang mit dem Bild bestimme schlussendlich sein Wirkungspotenzial. Daraus kann man auch ableiten: Die schmerzbefreite Bildverwendung eines Donald Trump sorgt für den Effekt seiner Botschaften, emotionale Reaktionen seiner Kritikerinnen und Kritiker können diesen Effekt noch befeuern.
Julia Ortner ist Journalistin mit Vorarlberger Wurzeln, lebt in Wien und ist Redaktionsleiterin von ORF.at.
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