Zwischen Traum und Groove

Kultur / HEUTE • 11:50 Uhr
Helbock Hofer
„Faces of Night” heisst das neue Album der Bassistin und Cellistin Julia Hofer und des Pianisten David Helbock. severin koller

Großartiges neues Album “Faces of Night” von Julia Hofer und David Helbock.

Schwarzach Wenn sich zwei Musiker zusammentun, die in ihren jeweiligen Instrumentenwelten längst zuhause sind, entsteht ein Raum, in dem das Gewohnte aufbricht und das Unerwartete seinen Platz findet. So auch bei „Faces of Night“, dem Album der Bassistin und Cellistin Julia Hofer und des Pianisten David Helbock. Die beiden haben sich nicht mit einem engen Konzept oder stilistischen Korsett begnügt, sondern eine Sammlung von Stücken erarbeitet, die sich aus persönlichen Vorlieben, spontanen Eingebungen und der gemeinsamen Liebe zur Improvisation speist. Dass dabei zwei Songs von Prince – „Purple Rain“ und „Sexy Motherf…“ – in ungewöhnlicher Form auftauchen, ist kein Zufall, sondern Ausdruck einer gemeinsamen Leidenschaft. Doch was im Original als Pop- und Funkhymne weltweit bekannt ist, verwandelt sich in diesem Duo-Kontext in etwas gänzlich Eigenes. Die Melodien und Harmonien sind nur noch schemenhaft erkennbar. Gerade diese Verfremdung macht den Reiz des Albums aus. Man erkennt Bekanntes, kann es jedoch nicht sofort greifen und wird somit gezwungen, genau hinzuhören.

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Der Titel “Faces of Night” ist Programm. Er umfasst eine Spannbreite von träumerischen, mystischen und beinahe entrückten Stücken bis hin zu kraftvollen, groovenden Nummern, die den nächtlichen Tanz aufleben lassen. So steht Schumanns „Song of a Dream“ neben Monks Klassiker „’Round Midnight“, für den die Sängerin Veronika Harcsa als Gast hinzukommt, während Stücke wie „Dancing to Another Space“ oder „Night Dancers“ eine unbändige rhythmische Energie entwickeln. Die Nacht erscheint hier nicht als statische Metapher, sondern als Kaleidoskop: mal geheimnisvoll und introspektiv, mal ekstatisch und voller Bewegung. Ein zentrales Element des Albums ist der ungewöhnliche Einsatz des Cellos. Julia Hofer überträgt Spieltechniken des E-Basses auf das Streichinstrument und erweitert so dessen klangliche Möglichkeiten. Mal gestrichen, mal gezupft und mal elektronisch verstärkt, entsteht ein Klangbild, das zwischen klassischer Sonorität und jazziger Direktheit oszilliert. Gerade in Kombination mit Helbocks Klavier, das er oft experimentell einsetzt – etwa indem er über die Saiten streicht oder perkussive Effekte erzeugt –, entsteht der Eindruck, hier seien mehr als zwei Personen am Werk.

Helbock Hofer
Helbock und Hofer. Severin Koller

Das Duo-Format erweist sich dabei als ideales Spielfeld. Es bietet maximale Freiheit, lässt Raum für spontane Wendungen und hält das Gleichgewicht zwischen Intimität und Offenheit. Die Improvisation ist dabei nicht bloß schmückendes Beiwerk, sondern die eigentliche Essenz: Viele Stücke entwickeln sich live jedes Mal anders, bleiben fließend und lebendig, statt in einer festen Form zu erstarren. So entsteht ein Album, das sich weigert, auf eine Schublade reduziert zu werden. Jazz, Klassik, Pop – all diese Kategorien schimmern durch, verlieren aber zugunsten eines offenen, neugierigen Ansatzes ihre Konturen. „Faces of Night“ ist keine Hommage an bekannte Vorlagen, sondern eine Einladung, Musik neu zu hören – bisweilen so verfremdet, dass die Identität eines Songs erst spät erkennbar wird. Im Kern liegt darin die große Stärke dieser Produktion: Sie fordert ihre Hörer:innen heraus, ohne sie abzuschrecken, und zeigt, wie lebendig und wandlungsfähig Musik wird, wenn sie aus echter Spielfreude entsteht. „Faces of Night“ ist ein Album, das die Nacht in all ihren Facetten hörbar macht – geheimnisvoll, zart, kraftvoll, ekstatisch – und das Duo Hofer/Helbock als ein Gespann präsentiert, das neugierig bleibt, Risiken eingeht und aus jedem Moment etwas Neues entstehen lässt.