Ein Klangrausch für Feldkirch

Großartiges Konzert für Kirchenglocken und Perkussion im Festsaal der Stella.
Feldkirch Vor hundert Jahren wurden Tisis, Tosters, Altenstadt, Levis, Nofels und Gisingen nach Feldkirch eingemeindet. Anlässlich dieses Jubiläums entwickelten die Montforter Zwischentöne Konzert gemeinsam mit Vanessa Porter, Emil Kuyumcuyan und Studierenden der Musikhochschulen Karlsruhe, Frankfurt und der Stella ein ungewöhnliches Projekt: Die Kirchenglocken aller Ortsteile wurden am Donnerstagabend als akustisches Sinnbild der Zusammengehörigkeit in den Festsaal der Stella übertragen. Glockenklänge, Körperbewegungen, Perkussion und elektronische Elemente verbanden sich zu einem vielschichtigen Klangbild.

Porter, seit 2023 Professorin in Karlsruhe, verbindet in ihren Arbeiten zeitgenössische Musik mit Improvisation, Elektronik und performativen Elementen. Kuyumcuyan, in Istanbul geboren, bringt Einflüsse aus anatolischer Musik, Jazz und Neuer Musik ein. Sein rhythmisch komplexer Stil kontrastierte deutlich mit der strukturierten Klarheit der Glockensamples, die das Ausgangsmaterial bildeten.

Im ersten Teil präsentierten Porter und Kuyumcuyan Auszüge aus ihrer Performance „Better Me“ für Perkussion, Elektronik und Video. In dieser setzen sie sich mit Fragen von Selbstbestimmung, Sichtbarkeit und Inszenierung auseinander. Im Zentrum stand der Wunsch des Einzelnen, nach eigenen Maßstäben zu leben. Durch das Zusammenspiel von Originalkompositionen, elektronischen Effekten und improvisierten Strukturen wurden die Grenzen zwischen Performance, Klangkunst und instrumentaler Virtuosität ausgelotet.

Es folgte Hierophonie V des japanischen Komponisten Yoshihisa Taïra, ein Werk, das mit archaischen Gesten beginnt: dem Schlagen, dem Rufen. In der zweiten Hälfte zieht sich diese physische Geste fast vollständig zurück; das Klanggeschehen verdichtet sich zu einer innerlich getragenen Bewegung. Taïra stellte die Frage, ob sich in der fortgesetzten Schwingung der Instrumente nicht die Gelassenheit der Seele offenbare. Von Ferne scheinen Trommeln eines Festes auf, als würden Körper und Klang ineinandergreifen, als formten die Spieler eine kollektive Atembewegung. Sechs Studierende aus Frankfurt und Karlsruhe gestalteten das Stück mit hoher Präzision und entwickelten zwischen kontrollierter Energie und zurückgenommener Präsenz eine Balance, die den meditativen Unterton des Werks spürbar machte.

Ausgangspunkt für den dritten Teil des Abends war die Idee der Zwischentöne, ein Werk über die Kirchenglocken Feldkirchs zu schaffen. Den entscheidenden Impuls fand Emil Kuyumcuyan, der diese Welturaufführung komponierte, bei einem buddhistischen Konzil, das er in Taiwan erlebte. Aus dieser Begegnung entwickelte sich eine poetische Vision: der römische, der ägyptische und der armenische „Papst“ treffen sich in Feldkirch und treten in einen imaginären Dialog, begleitet von Elementen einer buddhistischen Zeremonie. Dieses erfundene Konzil endet in Eintracht, die Klänge der Feldkircher Glocken finden zueinander, begegnen sich, überlagern sich, und die Pilger gehen friedlich auseinander.

Das Stück mit dem Titel “Pilgrim Trance” beginnt mit Stimmen in mehreren Sprachen aus dem Off. Dann betritt zuerst ein Musiker die Bühne, dann ein zweiter, schließlich immer mehr, bis zehn Musikerinnen und Musiker gemeinsam spielen. Dann zieht sich die Musik zunächst zurück, ehe sie wieder an Fahrt gewinnt. Ungewöhnlich, aber klanglich verblüffend stimmig kommen zwei Deodorants als Perkussionsinstrumente zum Einsatz, dazu fünf kleine Glocken. Der Klang baut sich Schicht um Schicht auf, gewinnt Schub, Kraft und Intensität bis schließlich alle Instrumente verstummen. In der entstehenden Stille erklingen Kirchenglocken aus dem Off, während die Bühne langsam im Dunkel versinkt.
