What a wonderful world

Kultur / 03.12.2025 • 13:15 Uhr
What a wonderful world
Martin Gruber und sein Ensemble reißen die Haut auf und streuen Salz in die Wunden. Niklas Koch

Martin Gruber und das Aktionstheater Ensemble präsentierten die Uraufführung von Speed (kills content) am Spielboden Dornbirn.

Dornbirn Eineinhalb Stunden auf Speed, schräg durch, das Ensemble zählt die Schritte und die Takte, kräfteraubende Choreografie, energetische Beats, rasend im lähmenden Stillstand. Nur … wohin führt die Reise? Martin Gruber und sein Aktionstheater Ensemble zeigen das Jetzt, und er zeigt uns auch den Blick (in die Kristallkugel) – in die Zukunft. Schlimmer geht immer. Ein toll eingespieltes Team mit Zeynep Alan, Isabella Jeschke, Thomas Kolle, Kirstin Schwab, Tamara Stern und Benjamin Vanyek, begleitet und unterstützt von den drei verdammt guten Musikern Andreas Dauböck, Pete Simpson und Jean Philipp Oliver Viol.

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Martin Gruber und das Aktionstheater Ensemble zeigen uns einen Überlebenskampf, von dem wir glauben, dass er irgendwann einmal stattfinden wird.STEFAN HAUER

Eine Tour de Force durch JÖ-Rabattpickerln, Gemeindewohnungen, deutsch-österreichisches Kaffeehausvokabular (vom Puderzucker zum Staubzucker, vom Möhrenkuchen zur Karottentorte), durch japanische Mangas mit der Heldin Sailor Moon, Dirndl in Hallstatt, oder war’s Hallein? Gewichtszunahme im Alter und uneinsichtige Beamte beim Wohnungsamt. Was braucht man mehr? Die Welt ist sowieso schon kompliziert genug. Der Text erinnert gnadenlos an die inhaltsleeren Worte und Versprechungen der Großen in der Politik, politische Botschaften sind nur mehr abgegriffene Slogans, zugespitzte Thesen und emotionsgeladene Worthülsen, ohne jegliche Bedeutung, aber man gibt sich staatsmännisch. Farce reiht sich an Farce, Lüge an Lüge, wie im wirklichen Leben. Es ist so schäbig, wie wir miteinander umgehen. Alles fällt der Vereinfachung und der Geschwindigkeit zum Opfer. Der Inhalt des Seins wird durch die Geschwindigkeit des Tuns und der Floskel verdrängt. Speed kills content – die Geschwindigkeit vernichtet den Inhalt.

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Unterstützt wird das Ensemble von drei verdammt guten Musikern.STEFAN HAUER

Hilfe kommt dieses Mal nicht aus Bregenz (als Vorarlberger ist man geneigt, Kafka zu zitieren), Hilfe kommt dieses Mal aus Japan: “Sag das Zauberwort und du hast die Macht, Halt den Mondstein fest und spür die Kraft, Du kannst es tun, Ohhh, Sailor Moon …”) und vom Aktionstheater Ensemble. Es kratzt nicht nur an der Oberfläche, Martin Gruber und sein Ensemble reißen die Haut auf und streuen Salz in die Wunden. “Dystopia” lässt grüßen. Aber hilft’s?

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Das Stück beeindruckte auch durch glänzende schauspielerische Leistung. Niklas Koch

Martin Gruber und das Aktionstheater Ensemble zeigen uns einen Überlebenskampf, von dem wir glauben, dass er irgendwann einmal stattfinden wird. Weit gefehlt. Wir haben noch nicht begriffen, dass wir uns bereits mittendrin befinden. Als einer der ganz Wenigen hat es Martin Gruber verstanden, wohin die Reise geht und wo wir heute stehen.

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Am Ende gab es für die Darbietung stehende Ovationen.Niklas Koch

Glänzende schauspielerische Leistung. Ein Bühnenbild, das zu Beginn auf aufgespannten Leinwänden verschwommene menschliche Konturen zeigt. Musik vom Feinsten. Ein kurzweiliger Abend, an dem nicht nur eine Lunte gezündet wird, sondern eine Bombe platzt. Standing Ovations und lang anhaltender Applaus. THS

Weitere Aufführungen: 4., 5., 6. Dezember, jeweils 20 Uhr am Spielboden Dornbirn. www.aktionstheater.at

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