Schatten, Stimmen, Schauer

Kultur / 08.12.2025 • 11:16 Uhr
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Die unvergleichliche Katharina Thalbach gastierte im TAK Theater Liechtenstein. Franziska Strauss

Schatten über dem Nichts: Ein unheimlicher Abend mit Katharina Thalbach.

Schaan Literatur, Musik und Schauspiel standen am Freitagabend im TAK nicht einfach nebeneinander, sondern traten in ein enges Wechselspiel. Katharina Thalbach las Texte der Schwarzen Romantik mit markanter Stimme, geprägt von Schärfe, Ironie und brüchiger Wärme, wie sie das Publikum seit Jahrzehnten kennt. Ihre Sprachgestaltung wirkte präzise und rhythmisch durchdacht, jedes Wort war gesetzt, keine Betonung zufällig. Der Abend ging jedoch über eine klassische Lesung hinaus. The Beauty of Gemina Acoustic und die Cellistin Stefania Verità entwickelten eine musikalische Ebene, die nicht bloß begleitete, sondern eigene Strukturen ausbildete. In zurückgenommenen Motiven, wiederkehrenden Klangfiguren und langsam atmenden Rhythmen entstand ein Dialog, der den Sprachfluss aufnahm, ordnete und akzentuierte. Die Musik reagierte auf Stimmungen, setzte Gegenimpulse oder führte Gedanken weiter – ohne vordergründig zu kommentieren. Sie strukturierte, statt zu illustrieren.

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Franziska Strauss

Auffallend war das Gleichgewicht der Mittel. Thalbachs Interpretation von Edgar Allan Poes Erzählung “Das verräterische Herz” in der ein Ich-Erzähler einen alten Mann aus Angst vor dessen „Geierauge“ ermordet und die Leiche unter den Dielen versteckt, bis ihn das eingebildete Herzklopfen des Toten verrät, hielt die Balance zwischen Drastik und zurückhaltender Ironie. Mindestens ebenso eindrucksvoll gelesen war Bram Stokers “Draculas Gast”: die Geschichte eines Reisenden, der sich auf dem Weg nach Transsylvanien in der Walpurgisnacht auf einem Friedhof verliert, einer übernatürlichen Bedrohung begegnet und erst später erfährt, dass Dracula ihn beobachtet hat.

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Die Musik nahm diese Kontraste mit Reduktion und Steigerung, Verdichtung und Zurücknahme auf. Die knapp zwei Stunden folgten einem schlüssig aufgebauten Spannungsbogen, der ohne äußere Effekte auskam und stattdessen auf Genauigkeit und innere Zuspitzung setzte. Man hatte den Eindruck, einem Abend beizuwohnen, der die Grenzen zwischen Literatur, Musik und Theater bewusst in den Hintergrund treten ließ. Die Vorstellung setzte auf die Imagination des Publikums und verband die Elemente zu einem geschlossenen Format jenseits gewohnter Kategorisierungen. Eine durchdacht strukturierte Aufführung, konzentriert, atmosphärisch genau geführt und getragen von einer Künstlerin, deren Stimme nach wie vor unverwechselbar bleibt.