Rilke im Klang der Gegenwart

Bregenz Zum 150. Geburtstag von Rainer Maria Rilke widmet das Theater KOSMOS einem der einflussreichsten Lyriker des deutschsprachigen Raums am 28. und 29. Dezember, jeweils um 19 Uhr, zwei Abende, die sich bewusst nicht als Gedenkfeier verstehen, sondern als behutsame Annäherung an eine Sprache, die bis heute wirkt und Generationen von Leserinnen und Lesern dazu eingeladen hat, Denken und Empfinden neu zu justieren. Am 4. Dezember 1875 in Prag geboren, hat Rilke die deutsche Sprache nicht nur geprägt, sondern ihr eine neue Sensibilität eingeschrieben, ein horchendes, suchendes Sprechen, das sich dem Eindeutigen entzieht und gerade darin seine Kraft entfaltet. 150 Jahre später erscheint Rilke erstaunlich gegenwärtig als leise, insistierende Stimme, die dort Fragen stellt, wo andere Antworten liefern, und die Unsicherheit als Grundbedingung des Daseins begreift. Das Programm im Theater Kosmos trägt diese Haltung in sich. Hubert Dragaschnig liest ausgewählte Texte und Gedichte Rilkes. Seine langjährige künstlerische Arbeit, die von vielfach ausgezeichneten Hörspielen über Soloprogramme bis hin zu leitenden theaterpraktischen Funktionen reicht, prägt die Lesung durch eine ruhige, präzise und sprachbewusste Interpretation, die den Texten Raum lässt und ihnen vertraut, ohne sie zu überformen.

Rilke war kein Dichter der großen Gesten, auch wenn seine Bilder oft von monumentaler Schönheit sind. Er war ein Dichter der Aufmerksamkeit. Seine Gedichte und Prosatexte kreisen um das genaue Hinsehen, um das Ausharren im Ungewissen, um die Bereitschaft, dem Leben auch dort Raum zu geben, wo es schmerzt oder verstört. Sein oft zitierter Rat, die Fragen zu lieben wie verschlossene Räume oder Bücher in einer fremden Sprache, ist weniger Trost als Zumutung und bis heute von ungebrochener Aktualität.

Die musikalische Gestaltung des Abends übernimmt Herwig Hammerl, Musiker und Komponist aus Hard, der seit vielen Jahren regelmäßig Bühnenmusik für das Theater KOSMOS entwickelt. Seine Kompositionen, getragen von feinen Klangfarben und großer Zurückhaltung, eröffnen einen atmosphärischen Resonanzraum, in dem Rilkes Texte neu hörbar werden. Unterstützt wird er dabei von seinem Ensemble. Rilkes Leben war von Bewegung geprägt, von Prag über Paris bis in die Schweiz, Ausdruck einer inneren Suche, die sich auch in seinen Texten spiegelt. Dass er bis heute gelesen wird, liegt nicht an seiner Vereinnahmbarkeit, sondern an seiner Offenheit. Seine Texte geben keine Rezepte, sie öffnen Räume. In einer Zeit, die nach schnellen Gewissheiten verlangt, erinnert Rilke daran, dass das Menschsein etwas Zartes und Gefährdetes ist, und dass gerade darin seine Würde liegt.

Termine:
Lesung mit musikalischer Begleitung
28. & 29. Dezember 2025, jeweils 19 Uhr
Theater KOSMOS