Das übertriebene
Gendern

Leserbriefe / 26.08.2020 • 17:41 Uhr

Halt! Soll es bei konsequentem Gendern nicht heißen „Bürgerlnnenmeisterlnnenkandidatlnnen“? Die Wählerin/der Wähler soll doch ihr/ihm/ihre/seine Stimme geben! Man sieht, irgendwo kann man den Wunsch nach sprachlicher Gleichwertigkeit übertreiben, wie man auch andere als sprachliche, in ihrem Ursprung berechtigte Bestrebungen bis zu ihrem Gegenteil übertreiben kann, wenn man nicht imstande ist, Zusammenhänge zu sehen. Es gibt dann auch bald einmal natürliche Grenzen. Muss sich nicht jeder Journalist/jede Journalistin bemühen, jede Leserin/jeden Leser seines/ihres Beitrags ernst zu nehmen? Jetzt schüttelt ,,man“ wohl den Kopf! Auch das zeitweilig übliche ,,man/frau“, das nur auf Ignoranz zurückzuführen ist, ergibt das Gegenteil, denn ,,man“ heißt ,,irgendein Mensch“ und nicht ,,der Mann“, was auch ein Laie relativ leicht erkennen könnte. So aber ist ,,frau“ exkludiert, also kein Mensch.

Die alten Römer hielten es Jahrhunderte lang aus, dass etwa ,,agricola“, der Bauer, oder „poetä“, der Dichter, in der Grammatik feminin aussahen. Der Ursprung des Wortes ,,Frau“ ist übrigens die weibliche Entsprechung zu ,,fro“, der Herr, und bedeutet ,,die Erste, die Vorderste“. Das mag ein Trost sein. Ein weiterer Trost ist der neueste Rechtschreibduden, der auf Seite 112 Anleitungen für den geschlechtergerechten Sprachgebrauch gibt. Beispiele: Direktor/-in, Kolleg(inn)en. Nicht abgedeckt sind Binnen-I, Gender-Stern oder Varianten.

Mag. Dr. Hildegard Pfanner, Bregenz