Politisches Defizit
Zum Bericht „Mehr Demokratie erwünscht“, VN vom 3.7.2021:
Wie bekannt, hob der Verfassungsgerichtshof – völlig überraschend – das mehr als hundert Jahre geltende Bürgerrecht auf, in Gemeinden und Städten Volksabstimmungen zu initiieren. Der Kulturverein Andelsbuch lud zu einer Veranstaltung mit zwei Referaten und anschließender Diskussion über direkte Demokratie. Dr. Gerhard Schwarz referierte über das nunmehr 170 Jahre bestehende Schweizer System der Direkten Demokratie. Die Vorteile liegen seiner Ansicht nach in einem permanenten Miteinander von Bürgerschaft und Politik. Das Mitbestimmungsrecht fördert den Zusammenhalt in der Gesellschaft, führt zu mehr Selbstverantwortung und zu einem höheren Staatsverständnis. Werte, die für eine gut funktionierende Gesellschaft äußerst wichtig sind. Grundlage der Schweizer Verfassungen ist der Genossenschaftssinn. Kaspanaze Simma sieht einen fortschreitenden Demokratieabbau im Lande. Er unterstrich auch das Versagen der repräsentativen Demokratie beim Klimaschutz, bei nachhaltigen Verkehrslösungen und bei der Eindämmung des Bodenverbrauchs. Das Mitbestimmungsrecht der Bevölkerung hält er für besonders wichtig. Referent Dr. Reinhold Gärtner, Uni Innsbruck, stellt dem Demokratieverständnis der Österreicher ein eher schlechtes Zeugnis aus. Lebendige direkte Demokratie erfordere auch persönliches Engagement seitens der Bevölkerung. Man will zwar mitreden, wenn man persönlich betroffen ist. Persönlicher Einsatz für Gemeinwohl und Ehrenamt ist jedoch in der Konsum- und Freizeitgesellschaft nicht mehr „in“.
Robert J. Bösch, Lustenau