„Warum erst jetzt“
Dr. Burtscher kritisiert in seinem VN-Kommentar vom 8. 8. 2022, dass erst jetzt Behörden und Politiker im Fall Kellermayer plötzlich hellwach geworden sind, nachdem alle vorher weggeschaut haben und sich die Staatsanwaltschaft (StA ) Wels – recht fragwürdig – als unzuständig erklärt hat, und hält eine „eigene Staatsanwaltschaft für überfällig“. Die Rechtslage ist komplexer, als Dr. Burtscher meint. Anonyme Täter können auf verschlüsselten Plattformen, die ihren Sitz im Ausland haben und nicht oder nur halbherzig mit Behörden kooperieren (z. B. Twitter und Telegram), schwer ausgeforscht werden, sodass unser Kommunikationsplattformgesetz im Ausland wenig Wirkung zeigt. Neue EU-Regelungen (Evidenz-Verordnung und Digital-Services-Act) gelten erst in zwei Jahren und werden auch dann außereuropäische Plattformen wenig beeindrucken. Da im Fall Kellermayer die Spuren nach Berlin und Bayern führen, hätte auch eine Sonderstaatsanwaltschaft die Ermittlungen an die dort zuständigen Staatsanwaltschaften weitergeleitet. Wenn überhaupt „Behördenversagen“ vorliegt, dann in Deutschland und nicht bei uns. Dass die StA Wels den Fall wieder aufgenommen hat, ist rechtlich begründet, weil infolge des Selbstmords eine strengere Strafbestimmung zur Anwendung kommt. Zu einem Behördenversagen passt auch nicht, dass sich Kellermayer laut Krone vom 7. 8. 2022 in einem ihrer Abschiedsbriefe beim BVT-Chef bedankt haben soll.
Dr. Jörg Frey,
Feldkirch