Wünschen Sie sich auch ein erfolgreiches Jahr 2023?

Leserbriefe / 13.01.2023 • 17:16 Uhr
Äbtissin M. Hildegard Brem, Kloster Mariastern-Gwiggen, Hohenweiler
Äbtissin M. Hildegard Brem, Kloster Mariastern-Gwiggen, Hohenweiler

Vor wenigen Tagen haben wir ein neues Jahr begonnen. Wohl jeder von uns überlegt, was dieses Jahr wohl bringen wird und was er erreichen will. In den Segenswünschen, die um diese Zeit sehr zahlreich in das Haus flattern, wird oft ein erfolgreiches neues Jahr gewünscht. Was könnte das bedeuten? Sicher wird diese Frage von jedem Leser und jeder Leserin anders beantwortet werden, je nach Beruf, Lebensumständen, Alter und so weiter. In allen Stellungnahmen aber dürfte ein Fortschritt und eine Verbesserung der Lebenssituation für einen selbst, seine Familie und andere Menschen ersehnt werden.

Hat auch Jesus den Erfolg gesucht?

In den Sonntagsevangelium zu Jahresbeginn begegnen wir Jesus zu Beginn seines öffentlichen Wirkens. Was er sich wohl für seinen Dienst gewünscht hat? Er wurde vom Vater gesandt, den Menschen nicht irdischen Wohlstand zu bringen, wohl aber, ihnen eine neue Lebensqualität zu schenken, die sich durch Liebe und Frieden im Herzen, in den Beziehungen und in der Begegnung mit Gott auszeichnet. Wie könnte eine solche Verbesserung zu erreichen sein, wo doch die Welt zu allen Zeiten voll war von Konflikten, Krieg und Gewalt? Sicher hat sich Jesus diese Frage gestellt, vielleicht in den vierzig Tagen in der Wüste.

Methoden der Weltverbesserung

Es gibt viele Ansätze, die sich um mehr Frieden, Eintracht und Liebe in der Welt bemühen. Doch welcher ist am ehesten zielführend? Eine gewaltsame Revolution, die das Böse mit starker Hand ausreißen möchte? Demonstrationen zur Beendigung von Umweltzerstörung und Krieg? Friedensgespräche und Verhandlungen zwischen verfeindeten Parteien?

Die Charakteristik des Johannes

Jesus hat einen anderen Weg gewählt. Johannes charakterisiert ihn im heutigen Sonntagsevangelium als „das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“. Wir kennen dieses Wort. Es wird bei jeder Eucharistiefeier gebetet oder gesungen und ist also von grundlegender Bedeutung.

Die tiefsten Wurzeln von Lieblosigkeit und Hass

Jesus setzt in seiner Sendung ganz tief an: nicht bei sündhaften Strukturen und gewaltsamen Konflikten, sondern beim Herzen eines jeden Menschen. Für ihn liegt hier die kranke Wurzel, die all das Leid und Elend hervorbringt. Doch wie kann Jesus das tiefste Innere eines Menschen erreichen und ihn von innen her verwandeln? Nicht indem er die Strukturen verändert, sondern indem er ausnahmslos jedem die Hand entgegenstreckt und zu ihm sagt: Darf ich mit dir gehen und dein Freund sein? Ich liebe dich und gehe mit dir durch dick und dünn! Ich weiß, was du fühlst, ich weiß, was dir fehlt und was du leidest! Ich trage es mit dir und helfe dir, an ihm zu reifen und in der Liebe zu wachsen! Dann wird die Welt durch dich ein bisschen heller und liebevoller sein!

Die vier Schritte der Liebe

Wie das konkret gelingen könnte, deutet der Evangelist Johannes durch das Wort „hinwegnimmt“ an. Wie so oft bei einer Übersetzung drückt es nicht den vollen Inhalt des griechischen Urtextes aus. Das ursprüngliche Wort hat viele Bedeutungen, von denen ich jetzt vier herausgreifen möchte: wahrnehmen, annehmen, auf sich nehmen und hinwegnehmen.

Jesus weiß und nimmt wahr, was uns fehlt: Er übersieht nicht das, was uns plagt und fertig macht, sondern ist bereit, es mit jedem von uns zu tragen. Er macht keine Vorwürfe, er nimmt uns und unsere Situation an, er weicht weder uns noch dem Leiden aus. Das hat er selbst durch sein Leben und seinen Tod bewiesen. Er bleibt nicht außen vor, sondern nimmt selbst das auf sich, was Menschen verschuldet und zu leiden haben. Wer die Leidensberichte in den Evangelien studiert, sieht, dass er tatsächlich freiwillig so ziemlich alles getragen hat, was es in der Welt an Not und Schmerz gibt. Und bei all dem hat er weder die Geduld noch die Liebe verloren, er war dem Vater und den Menschen treu bis zum Äußersten.

Nur durch diese drei Schritte kann er die Sünde der Welt hinwegnehmen, das heißt, jedem von uns helfen, das Böse im eigenen Herzen zu überwinden und durch die Liebe zu verwandeln. Dieses Angebot macht er jedem von uns neu am heutigen Tag.

Welches Problem in meinem Leben oder in der Welt würde ich gerne wegnehmen? Bin ich bereit, mit Jesus und wie er auch die drei vorhergehenden Schritte auf mich zu nehmen?

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