Ein Mensch mit ­eigenem Lebensrecht

Leserbriefe / 07.09.2023 • 17:37 Uhr

Pius XI. hat 1930 in seiner Enzyklika Casti Connubii jede Form der Empfängnisverhütung als Todsünde erklärt. Später zweifelte Paul VI. selber an der Unfehlbarkeit dieser Entscheidung. Da liegt der Hund begraben. Mein Urgroßvater, Arzt im Oberwallis, ritt durch Nebentäler zu armen, kinderreichen Familien (bis zu 20 Kinder an der Zahl). Bei einer neuen Geburt rettete er immer die Mutter, wenn sie in Todesgefahr schwebte. Sein Argument, der verwitwete Bauer findet niemals eine neue Mutter für seine Kinderschar. Der Ortspfarrer zeigte wenig Verständnis dafür! Meine Großmutter in Italien beichtete, Verhütungsmittel benützt zu haben. „Sie lieben also Kinder nicht?“, fragte die traurige Stimme hinter dem Gitter. „Doch, ich habe 13 geboren und drei Fehlgeburten gehabt.“ „Ach so! Geh in Frieden, meine Tochter!“ Ein unerwünschtes, ungeliebtes, missbrauchtes, misshandeltes Kind ist ein Mensch, der lieber nicht hätte wollen geboren werden. Ein stets hungriges Kind ohne ernsthafte Bildung, das voraussichtlich in die Kleinkriminalität ausrutschen wird, um überleben zu können, ist ein unglücklicher Mensch, der unbewusst, notgedrungener Maßen „sündigt“, daher absolut vergebungswürdig. Aber was ist mit den „Sünden“ gegen den Geist?

Marie-Thérèse Mercanton, Bludenz