Gewaltrisiko bei
Menschen mit
Schizophrenie

Leserbriefe / 18.10.2023 • 18:00 Uhr

Zum Interview mit Dr. Reinhard Haller „Auf Gutachter lastet großer Druck“, VN vom 11. 10. 2023:

Konkret möchte ich der Kürze halber nur auf die gesteigerte Gefährlichkeit von Menschen mit Schizophrenie eingehen. Zwar scheinen manche Studien einen Zusammenhang zwischen Gewaltrisiko und Schizophre-
nieerkrankung nahezulegen, allerdings muss man dazu sagen, dass es sich hier nicht um ein kausales Verhältnis handelt. Ein erhöhtes Risiko zur Gewaltbereitschaft besteht nur dann, wenn bestimmte Umstände hinzukommen. Denn bei lediglich 6,1 % der an Schizophrenie Erkrankten liegen der Beginn des psychotischen Prozesses und eine strafrechtliche Verurteilung innerhalb eines Jahres. Mit einer guten Nachbetreuung kann zudem nachweislich das Gewalttätigkeitsrisiko erheblich reduziert werden. So könnte man auch sagen, dass der Zusammenhang nicht zwischen Gewalttätigkeit und psychiatrischer Erkrankung besteht, sondern eher mit einer unzureichenden oder inadäquaten Behandlung.

Ergo, Menschen, die an Schizophrenie erkrankt sind, sind nicht per se ein Gewaltrisiko. Oftmals bemerken Angehörige schon sehr früh eine sich anbahnende Krise. Zu oft werden diese vom Gesundheitssystem nicht oder zu wenig wahrgenommen und in die Behandlung mit eingebunden. Oft sind Angehörige mit der Situation überfordert und fühlen sich alleine gelassen.

Es gilt hinzuschauen und nicht vor lauter Angst wegzuschauen. Denn: Psychische Erkrankungen gehen letztlich alle was an.

Mario Leitgeber,

Beratungsstelle ‹omnibus›, Bregenz