Frust mit (der)
Leitkultur

Leserbriefe / 15.04.2024 • 17:55 Uhr

Ich ertappe mich beim morgendlichen Zeitungslesen dabei, irgendwelche Zahlen im vier- oder fünfstelligen Bereich vor mich her zu fantasieren. Das ist bei jenen Meldungen und journalistischen Kommentaren der Fall, die die Ansichten ideologischer Lobbyisten und Minderheiten ausdrücken, welche bei den viel zitierten normalen Bürgern aus deren angestammtem Erleben und Empfinden heraus nur Kopfschütteln bis hin zu ohnmächtiger Wut auslösen. Das mediale Trommelfeuer solcher einseitigen und weltfremden Vorgaben überzeugt nicht, sondern löst Widerstand oder gar (Wähler)-Rache aus. Mit meinem Zahlenroulette versuche ich, die Anzahl jener Leser abzuschätzen, die nach bestimmten Reizmeldungen entscheiden, ihre Sympathie und Wählerstimme „umzuwidmen“.

Dabei spielt ein zutiefst menschlicher Effekt mit. Wer über die Person oder Partei A frustriert ist, gewährt der Alternative B bereitwillig einen übersteigerten Vertrauensbonus. Diese hat es dadurch allzu leicht, die Unzufriedenen aufzufangen. Das ist nichts Neues im politischen Konkurrenzkampf. Aus reinem Frust heraus sollte man das Staatsschiff jedoch nicht blauäugig unvorhersehbaren Risiken in einigen entscheidenden Fragen aussetzen. Von dieser Folgewirkung ahnen jene überheblichen Meinungseliten nichts, die die Gesellschaft in ihrem Sinn sturmreif schießen wollen. Bei Angriffen gegen ihre eigene öffentlich längst beherrschende, für sakrosankt gehaltene Leitkultur schwingen sie wehleidig die Empörungskeule. Ein Fass gibt beim Überfüllen aber nicht nach, sondern schwappt über.

Gerald Grahammer, Lustenau