Das große Schweigen

Leserbriefe / 24.07.2024 • 19:26 Uhr

Nachdem durch die Berichterstattung alle Pflegekräfte unter Generalverdacht gestellt werden, frage ich mich, wo die sind, welche sich für unsere Interessen einsetzen sollten? Wo sind AK, Gewerkschaft, Berufsverband, Politik? Wer springt für uns in die Bresche? Niemand. Wie kann es sein, dass sich Pflegekräfte in ihrem Privatleben anfeinden lassen müssen? Diese Menschen, die tagtäglich ihr Bestes geben und nicht verzweifeln an diesem erkrankten System. Menschen, die an Sonn- und Feiertagen arbeiten, die Überstundenkontingente von mehr als 200 h vor sich herschieben, die ihre Freizeit nicht genießen können, weil immer der Anruf kommen kann, dass man einspringen muss. All das ist möglich. Und doch überwiegen die positiven Anteile. Jene, in denen wir gemeinsam lachen, Zeit teilen, uns erinnern, begleiten, Schmerzen lindern, Trauer ertragen, Trost spenden. Dies ist kein Beruf. Dies ist eine Berufung. Bis zum Schluss. Cicely Saunders prägte den Ausspruch: „Sie sterben nicht, weil sie aufhören zu essen und zu trinken. Sie hören auf zu essen und zu trinken, weil sie sterben.“ Bis der Sachverhalt also nicht zur Gänze geklärt ist, sollte niemand Pflegekräfte anfeinden. Sie sind wertvoll.

Anja Jäger, DGKP, akademische Expertin für Palliative Care, Langen b. Bregenz