Doris Knecht

Kommentar

Doris Knecht

Kommentar: Man bringe das Klopapier!

VN / 01.09.2025 • 17:17 Uhr

Letztes Jahr im August war ich mit den Kindern in Palermo. Sehr heiß wars, schön wars, gut gegessen haben wir, auch deshalb, weil es dort noch in den kleinsten Supermärkten irgendwo am Strand wunderbarste Lebensmittel gibt, Prosciutto, Käse, frisches Gemüse, Oliven, und Tomaten natürlich. Reife, aromatische, sonnensüße Tomaten, eher klein und fest und knallrot, in diesem typischen Ochsenherz-Look, als sei jede einzelne Frucht mit Bändern eingeschnürt worden.

Wir verspeisten sie mit Begeisterung, und dann tat ich, was ich – ich habs schon mal erzählt – in so einem Fall immer tue: Ich holte das Klopapier. Wann immer ich irgendwo gute Tomaten esse: Ich brauche Klopapier! Oder auch Küchenkrepp, das geht auch. In dem Fall trennte ich zwei Blatt ab und klebte die Samen der fantastischen sizilianischen Tomaten darauf, sechs pro Blatt, ließ sie trocknen, rollte sie ein, machte ein Gümmile darum und packte sie ein.

Und genau ein Jahr später, wirklich auf den Tag genau, hab ich die erste der sizilianischen Tomaten im Waldviertel von meiner Staude gepflückt. Nachdem ich die Samen Ende Februar im Saatkistel in die Erde gedrückt, gewässert, aufgepäppelt, vereinzelt und umgetopft und nach den Eisheiligen in die Töpfe vor meinem Haus gesetzt hatte.

Was soll ich sagen: Sie war wunderschön und schmeckte gut, aber halt nicht wie in Palermo. Die sizilianische Sonne ist mit der Waldviertler leider nicht vergleichbar, vor allem heuer nicht. Es regnete viel, was gut ist für die meiste Natur, aber Tomaten mögen das halt nicht so. Es war teilweise so heiß wie in Sizilien, aber dort kühlen die Nächte nicht auf bis zu sieben oder acht Grad ab, wie es hier in diesem Sommer sehr oft der Fall war. In diesem Jahr wird es keinen Monat gegeben haben, in dem ich nicht geheizt haben werde, das lässt sich jetzt schon sagen. Die Tomatenernte ist stark verspätet, und sie ist karg, im Vergleich zur reichen, fetten aus dem letzten Jahr. Tomaten dörren und in Öl einlegen werde ich heuer wohl nicht, und nach gläserweise selbstgemachter Tomatensoße, mit der man sich den Sommer in den Winter holen könnte, schauts im Moment auch nicht aus.

Trotzdem: die Sizilianer sind schöne, aromatische Paradeiser und zusammen mit den Weißen Ribiseln (die hellgelb sind, und wunderbar süß), den hellroten Ochsenherz, den grünen Green Zebra und den kleinen schwarzen Tartuffos, deren Samen ich letzten Sommer aus Nachbars Salat – Klopapier bitte! – gekratzt habe, machen sie in der Caprese sowohl farblich als auch geschmacklich ordentlich was her. Ich mach jetzt eine Runde im Dorf, in alle Tomatentöpfe kibitzen, ob die was haben, was ich nicht habe; das Klopapier nehm ich gleich mit.

Die Tomate war wunderschön und schmeckte gut, aber halt nicht wie in Palermo; die sizilianische Sonne ist mit der Waldviertler leider nicht vergleichbar.

Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.