Die ÖVP mit ihren
fünf Schein-Bünden
Im Taktieren bei Koalitionsverhandlungen nach jeder Wahl macht man der ÖVP nichts vor. Ebenso wenig beim Brechen der Versprechen, die sie vor der Wahl macht. Die einzelnen Bünde in der ÖVP dienen nur dem Wählerfang. Da will man Arbeiter oder Frauen usw. benützen. Aber in Koalitionsverhandlungen entscheidet der Wirtschaftsbund, gelenkt von der Übermacht in der Bundes-Wirtschaftskammer. Von dort kam auch Dr. Wolfgang Schüssel. Daher konnte er mit dieser Hausmacht, an Bundespräsident Klestil vorbei, mit Jörg Haider koalieren, obwohl er vor der Wahl dies ausschloss, falls er nicht Wahlsieger sei. Nehammer kam vom unmaßgeblichen Arbeiterbund und so benützte Mahrer, ÖVP-Wirtschaftsbundpräsident, den naiven Kanzler von der eigenen Partei dazu, Schein-Koalitionsverhandlungen zu führen. Nicht einmal die NEOS durchschauten die im Hintergrund mit Kickl geführten Verhandlungen. Die Art der ankündigungslosen Verhandlungsabbrüche, sowohl von Meinl-Reisinger als auch von Nehammer, untermauern dies. Naivität kann man auch Van der Bellen attestieren. Hätte er nämlich mit der Abwegigkeit des Brechens der vielfach zementierten ÖVP-Versprechen, nämlich mit dem als ‚regierungsunfähig‘ definierten Kickl unter keinen Umständen zu koalieren, gerechnet, dann hätte er natürlich nicht auf kurzem Wege der ÖVP den ersten Regierungsauftrag erteilt. So hat die ÖVP nicht nur den Bundespräsidenten, sondern auch viele ihrer Wähler, einmal mehr, in die Irre geführt.
Dr. Walter Loacker, Hörbranz