Bundespräsident muss handeln

Leserbriefe / 27.01.2025 • 18:40 Uhr

Schlägt die Stunde des Bundespräsidenten? ÖVP und FPÖ verhandeln über ein kommendes Regierungsprogramm. Es scheint der Fall zu sein, dass ein gemeinsames Regierungsprogramm nur möglich ist, wenn eine oder beide Verhandlungspartner zentrale Verspechen, die sie gegenüber dem Wähler gemacht haben, brechen werden. Die Verhandlungen der ÖVP mit der SPÖ und den Neos sind ja zuvor bereits gescheitert. Der Bundespräsident wurde mit absoluter Mehrheit der Wähler in sein Amt gewählt und er ist daher auch dem Wähler gegenüber verantwortlich, dass dann, wenn politische Parteien nach erfolgter Wahl zwecks Regierungsbeteiligung das Gegenteil von dem, was sie zuvor ihren Wählern versprochen haben, verwirklichen wollen, einzuschreiten. Gemäß Art. 29 BVG ist der Bundespräsident berechtigt, den Nationalrat aufzulösen und somit zu bewirken, dass der Wähler die Gelegenheit bekommt, die neu gegebene Situation zu beurteilen und hiernach neu zu entscheiden, was wirklich geschehen soll. Unsere Verfassung räumt dem Bundespräsidenten diese Möglichkeit ein. Er kann aus eigenem Entschluss die derzeitige Regierung entlassen, eine neue Regierung mit dem Auftrag bestellen, unverzüglich einen Antrag auf Auflösung des Nationalrates zu stellen und diesem Antrag entsprechen, noch bevor die Abgeordneten des Nationalrates der neu ernannten Regierung das Misstrauen auszusprechen in der Lage sind. Geschieht dies, dann liegt es beim wirklichen Machtinhaber, dem Wähler, zu entscheiden, wen er unter den gegebenen Umständen bevollmächtigen will, seine Interessen zu vertreten. Dies wäre auch ein Signal an alle politischen Parteien, hinkünftig nicht ihren Vollmachtgebern etwas zu versprechen und dann genau das Gegenteil davon zu tun.

Dr. Hermann Böckle, Dornbirn