Leserbrief: Der Psychotherapeut und der Wolf – solidarische Empathie braucht Fakten

Sachlich treffend kritisierte Erik Schmid – Fachtierarzt und ehemaliger Vorarlberger Tierschutzombudsmann – in den VN vom 22.5. die kontraproduktive Abschusspolitik, wo es doch letztlich Rudelbildung braucht, kombiniert mit gutem Herdenschutz. Zudem wies Schmid darauf hin, dass Landwirte verpflichtet sind, ihre Weidetiere vor Beutegreifern zu schützen. Darauf replizierte der bekannte Psychiater und Psychotherapeut Prof. Reinhard Haller (VN 24./25.5.). Gerade wegen des gesellschaftlichen Standings von Prof. Haller bedürfen seine emotionalen und sachlich problematischen Aussagen eines Kommentars. Es ist dem Menschen und Psychotherapeuten Haller zuzugestehen, auf der Seite seines verständlicherweise wolfsaversen Klientels zu stehen – aber auch er hat die Empathie mit den Almbauern nicht gepachtet. Der Arzt, Psychiater, Wissenschafter und Gerichtsgutachter Haller sollte aber den Fakten verpflichtet bleiben. Dagegen verstößt er mehrfach und gravierend, wenn er etwa die Alpen zur wolfsfreien Zone machen will, wenn er die bestehende Gesetzeslage als “unmöglich zu erfüllen” abkanzelt, wenn er die von Schmid kritisierten Landespolitiker als “Kämpfer für die Interessen der Bauern” idealisiert und wenn er generell das Lied vom Wolf als “Totengräber der Almwirtschaft” singt. All das ist sachlich unhaltbar. Die Almbauern verdienen Unterstützung beim Einstellen ihres Wirtschaftens auf die großen Beutegreifer. Die Narrative rechtskonservativer Politiker helfen dabei ebenso wenig wie die uninformierte Empathie des Prof. Haller.
Kurt Kotrschal, Prof. Univ. Vienna i.R., Sprecher der AG Wildtiere am Forum Wissenschaft & Umwelt, & Rudolf Winkelmayer, Mag. med. vet., Dr., Prof., wHR, Dipl. ECVPH (i.R.), Fachtierarzt für Kleintiere, Scharnstein