Krise des Wolfes oder der Empathie?
Erwartungsgemäß hat mein Appell zur Solidarität mit den Meistleidenden unter der Wiederansiedlung der Wölfe neben vielen positiven auch einige negative Reaktionen hervorgerufen. Kaum überraschend wurde dabei nicht mit Sachargumenten, sondern mit persönlichen Beschimpfungen, Unterstellung falscher Zitate, Versuchen des Lächerlich-Machens und der Politzuordnung – was hat denn Mitgefühl mit Rechtspopulismus zu tun? – gearbeitet. Kein einziges Wort wurde dem Schicksal der Opfer gewidmet. Dies scheint weniger Ausdruck des Eiferns für eine Idee, als Zeichen der heute vielbeklagten Krise der Empathie zu sein. Besonders augenscheinlich wird dies im Leserbrief zweier Universitätsprofessoren, die nicht nur hilfesuchende Patienten als „wolfsaverses Klientel“ diskriminieren, sondern entgegen allen wissenschaftlichen und psychotherapeutischen Definitionen Empathie als etwas beschreiben, was auf Fakten basieren müsse, also nicht auf der menschlichen Gefühlswelt. Wahrscheinlich meinen sie damit ihre Fakten, als ob gequälte Nutztiere und verzweifelte Schäfer – wie jetzt im Großen Walsertal – nicht auch Fakten wären. Ohne jemandem vorschreiben zu wollen, wie er in der Wolfsfrage zu denken, zu fühlen oder zu werten hat, kann ich versichern, dass ich mich für die Schwächsten in dieser Kette einsetzen werde, und das sind neben den malträtierten Tieren unsere Bauern, Älpler und Hirten.
Dr. Reinhard Haller,
Feldkirch