Leserbrief: In der Zange

Dass Europa nunmehr von zwei militärischen Großmächten in die Zange genommen wird, verdanken wir Trump und unserer eigenen Blindheit. Leider hat er damit recht, dass Europa ein sicherheitspolitischer Trittbrettfahrer ist. Die NATO war nach dem Krieg gegründet worden, damit die UdSSR Westeuropa nicht auch noch einkassieren konnte. Die USA übernahmen die finanzielle und militärische Hauptlast, aber mit zunehmender wirtschaftlicher Erholung hätte Europa seinen Anteil und damit gewisse Eigenständigkeit übernehmen müssen. Otto Habsburg beschwor diese Risiken jahrzehntelang. „Gewiss, wir können uns derzeit auf die Amerikaner verlassen. Niemand gibt uns aber eine Garantie, dass nicht einmal ein Präsident in Washington an der Macht sein wird, der vollkommen andere Prioritäten als bisher setzt.“ Trump spielt nunmehr genau diese Abhängigkeit selbstgefällig aus.
Habsburg hat seinerzeit auch das französische Atomprojekt unterstützt. Ohne dieses und das ebenso bescheidene britische Potenzial hätte die EU nicht die geringste atomare Abschreckungskraft. Sein geopolitisches Denken hat die Wirtschaft nie isoliert von Sicherheitsaspekten betrachtet, und insbesondere die Landwirtschaft, hinter die er sich immer stellte, war ein Teil dieses Gesamtkonzeptes. Er verwies auf die Anfälligkeit des kontinentalen Schiffsverkehrs, die uns im militärischen Krisenfall abrupt von allem Lebensnotwendigen abkappen könnte. Heute bleibt nur: Alles ausbaden und kostspielige Kehrtwende.
Gerald Grahammer, Lustenau