Die Schulreifeprüfung

Vorarlberg / 16.05.2018 • 21:35 Uhr
Die Schulreifeprüfung

Pläne für neues Schulaufnahmesystem und Deutschklassen sorgen für Wirbel.

Bregenz Ist das Kind reif für die Schule? Oder sollte es besser noch ein Jahr in der Vorschule verbringen? Diese Frage beschäftigt derzeit überall im Land Pädagogen und Eltern im Hinblick auf das Schuljahr 2018/19. Bundesweit zählt Vorarlberg nach einer Statistik des Bildungsministeriums zu den Spitzenreitern in Sachen Vorschüler. In Vorarlberg wird demnach jeder Fünfte Sprössling als Vorschüler eingestuft. In der Steiermark wird dagegen nur ein Prozent der Kinder als nicht schulreif eingeordnet. Stellt sich die Frage: Sind Schüler in der Steiermark also intelligenter als in Vorarlberg oder sind die Aufnahmekriterien strenger?

Zeit geben

Ein Grund, warum Vorarlberg im Bundesländervergleich zu den Spitzenreitern zählt, soll der hohe Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund sein. „Die Sprache ist wichtig und es ist ebenso wichtig, Kindern noch ein Jahr Zeit zu geben“, sagt Pflichtschulinspektorin Karin Engstler. Neben sprachlichen Defiziten zählen Probleme bei Mathematik oder der Motorik zu den Gründen, warum Kinder als nicht schulreif eingeordnet würden. In der Vorschule soll auch die Bewegungsfertigkeit gefördert werden.

Auf wenig Begeisterung stoßen bei der Pflichtschulinspektorin die Pläne von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP), einheitliche Kriterien für Aufnahmegespräche zu schaffen (die VN berichteten). In Vorarlberg gebe es nämlich bereits ein „Eingangsscreening“. Das Übergangsprozedere vom Kindergarten in die Schule werde bereits seit sechs Jahren laufend weiterentwickelt. Derzeit laufen die Vorbereitungen für das kommende Schuljahr. Dabei wird sich nach Ansicht der Inspektorin einiges ändern. Grund dafür sind die geplanten Deutschförderklassen. Diese sollen ab acht Kindern pro Standort schrittweise eingerichtet werden. Kinder, denen bei der Schul­einschreibung Deutschmängel attestiert werden, sollen getestet werden. Ergibt sich, dass sie dem Unterricht nicht ausreichend folgen können, kommen sie als außerordentliche Schüler in eigene Förderklassen. Dort wird 15 bis 20 Stunden pro Woche Deutsch unterrichtet. In Zeichnen, Musik oder Turnen sollen die Kinder den Regelklassen zugeteilt werden. Wie sich das Ganze umsetzen lassen wird, ist noch vollig offen. „Wir wissen noch nicht, wie viele Klassen es geben wird und ob wir genug Personal und Räume haben“, sagt die Pflichtschulinspektorin. Außerdem hätten Eltern bereits hinsichtlich „Ghettoklassen“ Bedenken geäußert.

Momentan läuft das allgemeine „Eingangsscreening“ auf Hochtouren. Schulleiter und Lehrer besuchen seit April wieder Kindergärten und überprüfen Sprachkenntnisse, Mathewissen und die motorischen Fähigkeiten der Kinder auf spielerische Art und Weise. Bei Letzterem geht es darum, wie sie Stifte halten oder Muster fortsetzen können. Danach folgen Übergabegespräche und Elternabende. „Diese standardisierte Übergabe hat ein hohes Niveau und wird inzwischen schon an fast allen Schulen im Land durchgeführt“, sagt die Pflichtschulinspektorin. Da die Vorarlberger in dieser Hinsicht sehr vorbildlich unterwegs seien, habe sie das Konzept schon in Wien deponiert. Denn bislang habe es nur eine Ansage für ein standardisiertes Aufnahmeverfahren gegeben, aber noch keine inhaltlichen Vorschläge. „Ich erwarte mir nicht, dass das Vorarlberger Konzept übernommen wird, aber miteinbezogen werden sollte es schon. Wir haben die Haltung, dem Kind Zeit zu lassen.“

Im laufenden Schuljahr zählt Vorarlberg 42 Vorschulklassen. Gibt es in einer Volksschule zu wenige Anmeldungen, werden die Kinder in die erste Klasse aufgenommen und dort gefördert. In den vergangenen Jahren ist der prozentuelle Anteil der Vorschüler leicht zurückgegangen. Engstler vermutet, dass eine intensivere Vorbereitung im Kindergarten eine Erklärung dafür sein könnte. 

„Wir wissen noch nicht, ob wir auch genug Personal und Räume haben.“