Lettland bekommt Euro: Mehr Bangen als Hoffen

Letten sind zwiegespalten über ihre neue Währung – ab dem 1. Jänner kommt der Euro.
Vilnius. Aus dem Fenster seines Büros kann Viesturs Zarins die Zukunft sehen. Auf der anderen Seite eines ausrangierten Grenzpostens ist Estland – seit 2011 Mitglied der Euro-Zone. Die Launen der Geschichte wollten es, dass das Städtchen Valka, dessen stellvertretender Bürgermeister Zarins ist, heute geteilt ist zwischen Estland und Lettland.
Ab 1. Jänner gehört Lettland zur europäischen Währungsunion – es wird der 18. Staat sein, dessen Bürger mit dem Euro zahlen. Fachleute gehen davon aus, dass mit der Gemeinschaftswährung mehr ausländische Investoren nach Lettland gelockt werden. Der Währungswechsel ist historisch: Nach Estland ist Lettland die zweite frühere Sowjetrepublik, die den Weg nach Westen geht. Zugleich bleibt Lettland in puncto Energieversorgung abhängig von Russland.
„Ich bin nicht wirklich optimistisch“, sagt Vize-Bürgermeister Zarins und spielt auf die sehr hohe Arbeitslosigkeit in Lettland an. Die Erwerbslosenquote liegt bei zwölf Prozent. „Das ist unser größtes Problem. Und ich kann nicht erkennen, was der Euro für eine Lösung bringen soll.“
Blickt man ein paar Hundert Meter weiter nach Westen, rüber nach Estland, wird der Grund für die Skepsis am Nutzen des Euro deutlich. Zwar ist der estnische Teil Valkas für Letten attraktiv, weil es dort ein besseres Krankenhaus und mehr Rockkonzerte gibt. Arbeitslose gibt es hüben wie drüben etwa genauso viele.
Risikofaktor Russland
Für die politische Elite des Landes, die den langen Arm Moskaus beinahe täglich spürt, ist der Euro noch viel mehr als nur eine neue Währung, von deren Stabilität sie sich mehr Wohlstand erhofft. Lettlands Außenminister Edgars Rinkevics ist die Sache klar: „Der Euro ist eine weitere Versicherung gegen die Risiken, die unsere doch sehr wechselhaften Beziehungen zu Russland mit sich bringen.“
Wirtschaftlich gesehen gibt es aber durchaus auch Positives zu berichten: 2012 wuchs Lettland mit gut fünf Prozent schneller als alle anderen Volkswirtschaften in der EU. Die Staatsverschuldung liegt bei gut 42 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – deutlich unter der Grenze von 60 Prozent, die zur Einführung des Euro eingehalten werden muss. Allerdings: Seit 1989 haben fast 700.000 Letten ihrer Heimat den Rücken gekehrt, um im Ausland Arbeit und Glück zu finden. Deshalb sind Strukturreformen und Anreize für Unternehmen und Bürger nötig. Doch Reformen und Öffnung können auch nach hinten losgehen.
Beispiel Riga: Dort haben gut gemeinte, aber falsche Anreize dazu geführt, dass sich viele reiche Russen für relativ kleines Geld einen Zweitwohnsitz zulegen konnten. Gerade einmal 140.000 Euro für ein Haus waren im Schnitt nötig für freien Zugang zur Freizügigkeit in der Europäischen Union. Für die reichen Nachbarn aus dem Osten oft Kleingeld, für das Gros der Letten wohl eher nicht erschwinglich. Die müssen jetzt erst mal mit einem boomenden Immobilienmarkt und steigenden Preisen leben. Für Vertrauen in die künftige Währung sorgt das alles nicht.