Andreas Scalet

Kommentar

Andreas Scalet

Heer der Bürger, wache auf . . .

Markt / 30.04.2014 • 22:09 Uhr

Am 1. Mai zeigt sich die Arbeiterschaft, die inzwischen eher eine Angestelltenschaft ist, seit Beginn ihrer Emanzipation selbstbewusst. Wie wichtig diese Demonstration der Macht und Masse der Erwerbstätigen war und ist, zeigt sich bis heute: Ohne organisierte Arbeiterschaft, ohne Gewerkschaft wären die Arbeitsverhältnisse andere. Das „Heer der Sklaven“, von dem in der „Internationale“ die Rede ist, ist inzwischen ein „Heer selbstbewusster, gleichberechtigter Teilnehmer“ am Wirtschaftskreislauf. Zumindest in der westlichen Hemisphäre. Ausnahmen wird es immer wieder geben, aber wenn es zu Konflikten kommt, gibt es Spielregeln, die gewährleisten, dass man sich auf Augenhöhe begegnet.

 

Der 1. Mai ist nach wie vor ein Tag, an dem wichtige Anliegen der arbeitenden Bevölkerung auch entsprechend Gehör finden. Nicht nur die Gewerkschaft meldet sich zu Wort, auch Regierungen und Parteien, egal welcher Ideologie, fühlen sich bemüßigt, Botschaften in Richtung Arbeitnehmerschaft abzugeben. Schließlich ist das frühere „Heer der Sklaven“ auch das große „Heer der Wähler, der Bürger“. Der 1. Mai könnte aber auch der Tag sein, an dem sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber solidarisieren. Denn es gibt einen Gegner, dem man offenbar nur gemeinsam beikommen kann.

 

Die Regierenden – und es sind seit Jahrzehnten immer dieselben – beuten, um im klassenkämpferischen Jargon zu bleiben, ebenso lange Chefs und Untergebene aus. Der Anteil der Steuern am Ertrag wie am Lohn wird immer größer, was man über die Leistungen, die man zurückbekommt, nicht unbedingt sagen kann. Die kalte Progression beschert dem Staat und seinem aufgeblähten Apparat, ohne dass darüber diskutiert werden muss, verlässlich Mehreinnahmen. Versprochene Reformen finden nicht statt, Worte der Politiker sind Schall und Rauch.

 

Auch wenn die Unzufriedenheit wächst, der Standort augenscheinlich an Bedeutung verliert und die Zukunft verspielt wird, die Politik verharrt. Aber solange man Unternehmer und Arbeitnehmer mit sich selbst beschäftigt, solange Parteipolitik die Sozialpartnerschaft manipulieren kann, wird nichts passieren. Es ist Zeit, gemeinsam ein Fanal zu setzen, das am Ballhausplatz und in den Ministerien rundum verstanden wird, sonst wird sich an der derzeitigen Perspektivlosigkeit nichts ändern, es wird sich weder in der Lohntüte der Angestellten noch in den Bilanzen der Unternehmen etwas tun. Heute wäre der richtige Tag, um ein erstes Zeichen zu setzen.

andreas.scalet@vorarlbergernachrichten.at, 05572/501-862