“Keine Klemme bei Krediten”

Peter Brezinschek, Chefanalyst von Raiffeisen, warnt vor falschen Standort-Entscheidungen.
Schwarzach. (VN-sca) „Es muss an vielen Stellschrauben gedreht werden“, analysiert Peter Brezinschek, Leiter von Raiffeisen Research, im Gespräch mit den VN. Im Land war Brezinschek um Kunden der Raiffeisenbank Vorarlberg einen Überblick über die aktuelle Wirtschaftslage zu geben. Und zwar nicht nur für Österreich, sondern im globalen Umfeld. Die Konjunkturerholung werde derzeit vor allem von den entwickelten Volkswirtschaften getrieben, so eine der Kernaussagen. „Die stärkste Verbesserung der Konjunktur haben die Volkswirtschaften in Zentral-Osteuropa erreicht.“
Wettbewerbsfähig
Er kennt aber auch die Wirtschaftsdaten Österreichs und bestätigt: „Vorarlberg hat in den letzten drei Jahren das österreichische Wachstum klar übertroffen, das gilt auch für das Beschäftigtenwachstum.“ Die Vorarlberger Unternehmen seien in einer der dynamischsten Regionen Europas mit den Nachbarn Süddeutschland und Ostschweiz tätig: „Die Region um den Bodensee hat eine der aktivsten Regionalentwicklungen.“ Die Konkurrenz mache auch die Wirtschaft stark, ist er überzeugt. Und auch die Rahmenbedingungen seien deshalb in Vorarlberg besser als im Österreich-Durchschnitt.
Ermüdung
Vorarlberg und Österreich haben die Wirtschaftskrise besser überstanden als die meisten europäischen Länder, so Brezinschek, doch nun zeigen sich Ermüdungserscheinungen, die vor allem dem Reformstau geschuldet seien. Die Arbeitskosten sind in Österreich im Europavergleich am stärksten gestiegen, „die Steuerquote inzwischen höher als im traditionellen Hochsteuerland Schweden“, stellt er fest. Das schade dem Standort Österreich, auch wenn Deutschland alles tue, um den Vorsprung, den es sich die vergangenen Jahre erarbeitet habe, zu verspielen: Stichworte Mindestlohn und Pensionsreform.
Österreich müsse auch aus Sicht von Raiffeisen Research die Reformen angehen, damit der Standort attraktiv bleibe: „Wir reglementieren uns zu Tode, da verzetteln wir uns total.“ Zum Staatshaushalt hat er nicht nur eine Meinung, sondern auch das entsprechende Zahlenmaterial. „Wir haben in Österreich ein Ausgaben- und nicht ein Einnahmenproblem“, die Steuerreform sei notwendig und machbar, sagt Brezinschek.
Gut gefüllte Kassen
Eine derzeit heiß diskutierte Deflation in der Eurozone sieht der Research-Chef nicht, die Niedrigzinsphase werde aber wohl bis Ende 2015 anhalten. Das wäre eigentlich gut für Kreditnehmer, allein es gebe keine Nachfrage, stellt er fest. „Die Firmen haben gut gefüllte Kassen, auch das sei ein Zeichen dafür, dass sie gut aus der Krise hervorgegangen seien. Von einer Kreditklemme könne jedenfalls keine Rede sein. „Wir würden gerne Kredite geben“, unterstützt ihn auch der stellvertretende Vorsitzende der Raiffeisen Landesbank, Johannes Ortner.
Bei der Anlagestrategie setzt Brezinschek aufgrund des derzeitigen Zinsniveaus auf ein moderates Übergewichten der Aktien mit Schwerpunkt Europa, Emerging Markets und Japan. In den vergangenen Wochen hätten Aktien wieder besser performed, dies werde weitergehen. Das Ertragspotenzial werde für die nächsten fünf Jahre mit fünf Prozent jährlich vor Gebühren und Steuern erwartet. Japan sei zwar sehr volatil, aber es stehe eine gute Phase bevor. In Europa wiesen auch die Unternehmensgewinne Aufholpotenzial auf.
Firmen haben genug Cash, sie haben die Krise gut bewältigt.
Peter Brezinschek