Die Hürde mit dem Alter

Konzentriert sind Drago Mitrovic (l.) und Herbert Grill bei der Sache, die Arbeit erfordert Präzision. Foto: DS
Tag der Arbeitslosen. Dank Kaplan-Bonetti-Arbeitsprojekt wieder eine Perspektive.
dornbirn. (VN-mm) Alt? Nein, alt sind Herbert Grill und Drago Mitrovic nicht. Der eine 54, der andere 50: In den besten Jahren wären sie früher angesiedelt worden, auch beruflich. Doch das Schicksal hat die Männer gnadenlos aus dem Arbeitsleben katapultiert. Vorläufig ohne Rückfahrkarte. Dass sie trotzdem ein geregeltes und menschenwürdiges Dasein führen können, verdanken sie den Kaplan-Bonetti-Arbeitsprojekten. Herbert und Drago sind zwei von 60 Langzeitarbeitslosen, die dort eine Beschäftigung gefunden haben. Als fleißig und zuverlässig werden Herbert und Drago von Projektleiter Herbert Johler beschrieben. „Wir sind froh, wenn wir gute Mitarbeiter bekommen“, sagt er. Dennoch bleibt als Ziel, sie wieder vollständig in die Gesellschaft und damit auf dem ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Wenn da nur nicht die Hürde mit dem Alter wäre.
Glück und Elend
Heute ist „Tag der Arbeitslosen“, morgen „Tag der Arbeit“. So nah liegen auch berufliches Glück und Elend oft beisammen. „Es soll sich jeder einmal vorstellen, wie es wäre, plötzlich arbeitslos zu sein“, meint Herbert Johler. Für jene, die noch nie in dieser prekären Situation waren, vermutlich ein schwieriges Unterfangen, Herbert Grill und Drago Mitrovic können ein Lied davon singen. Es ist ein bitteres. Grill, damals 46, führte ein Suchtproblem in die Arbeitslosigkeit. Ein Entzug scheiterte. 1993 tauchte er zum ersten Mal bei Kaplan Bonetti auf. „Ich war froh, eine Arbeit und ein Dach über dem Kopf zu haben“, erzählt er. Doch immer wieder stürzte er ab, immer wieder bekam er bei Kaplan Bonetti eine Chance. Inzwischen ist Herbert Grill seit Langem clean, aber der Weg auf den regulären Arbeitsmarkt blieb ihm bislang verwehrt. Nicht nur wegen des Alters, wie er sagt. Als er in einer Bewerbung seine Tätigkeit bei Kaplan Bonetti anführte, bekam er sie abschlägig zurück. Der Teil mit dem Arbeitsprojekt war dreifach rot unterstrichen. Herbert Grill verstand die Welt nicht mehr. „Es muss sich doch keiner für das schämen, was er gearbeitet hat“, merkt er an.
Drago Mitrovic ist seit bald zehn Jahren gesundheitlich schwer angeschlagen. Der Arzt attestierte ihm eine 60-prozentige Behinderung. Die vielen krankheitsbedingten Ausfälle hatten Konsequenzen. 2006 wurde Drago arbeitslos. Mit seiner Vorgeschichte wollte ihn danach auch kein anderes Unternehmen mehr haben. „Ich bekam überall nur Absagen.“ Der Versuch, in Frühpension zu gehen, wurde ebenfalls zwei Mal abgelehnt. 2010 kam er schließlich im Arbeitsprojekt von Kaplan Bonetti unter. Hier wird auf seinen Zustand Rücksicht genommen. Hier fühlt sich Drago wohl: „Ich bin froh, länger bleiben zu können.“
Vermittlungsquote
Etwa 53 Prozent der bei Kaplan Bonetti Beschäftigten sind über 50 Jahre alt. „Wenn ein Mensch eine Struktur und Arbeit hat, hat er ein Leben.“ Helmut Johler sagt es mit Nachdruck. Die Vermittlungsquote von 28 Prozent mag auf den ersten Blick bescheiden aussehen. Doch jeder, der es geschafft hat, ist für den Projektleiter ein „absoluter Erfolg“, besonders vor dem Hintergrund oft schwieriger Ausgangslagen.
Hat ein Mensch eine Arbeit, hat er auch ein Leben.
Helmut Johler