Europa – wie geht es weiter?
Europa: Was will es? Was kann es? Was soll es sein? Erst nach 1945 wurde Europa, vorher über Jahrhunderte ein blutiger, dunkler Kontinent, durch die europäische Integration und unter dem Sicherheitsschirm der USA ein Hort des Friedens, des Wohlstands, der Entnationalisierung und damit Stabilität.
Inzwischen ist Europa wieder ein Kontinent der Unruhe geworden, von außen wie von innen zunehmend bedroht. Die Konfliktzonen in Nordafrika, der Subsahelzone und in den südlichen Regionen der Levante bescheren uns Flüchtlings- und Migrationsströme, mit denen wir in solidarischer Weise nicht zurande kommen. Im Osten besteht die Gefahr einer Destabilisierung. Dazu kommt, dass wir die Finanzkrise noch längst nicht überwunden, kaum Wachstum und eine viel zu hohe Arbeitslosigkeit haben. Dies würde mehr und nicht weniger Zusammenarbeit in Europa erfordern, weil kein einziges Land alleine in der Lage ist, diese schwierigen Aufgaben zu bewältigen und die anstehenden, zum Teil auch globalen Probleme zu lösen.
Was wir aber erleben, ist eine Re-Nationalisierung samt nationalstaatlichen Souveränitätsillusionen. Dies schwächt die politische Mitte und stärkt die zentrifugalen Kräfte an den politischen Rändern. Diese haben verbindende Feindbilder wie die EU, Flüchtlinge und generell Ausländer, sie sind globalisierungsfeindlich und antiamerikanisch, zudem lassen sie sich finanziell von außereuropäischen, an der Schwächung der EU interessierten Kreisen finanziell unterstützen. Dazu kommt die Diskussion von einem Grexit und noch gravierender von einem möglichen Brexit. Diesen Lösungsszenarien ist eines gemeinsam: eine ungewisse, von Destabilisierung und Krisen geprägte europäische Zukunft.
Die Lösung der anstehenden Probleme und damit die Fortsetzung des erfolgreichen europäischen Weges kann nur erreicht werden, wenn Europa im Wirtschafts-, Finanz- und Bankbereich, aber auch im Bereich der Sicherheits- und Außenpolitik bei größerer Solidarität und demokratischer Legitimation weiter zusammenwächst und sich vertieft. Nur dann wird sich Europa auf der politischen und ökonomischen Weltbühne behaupten können, nur dann hat Europa Zukunft!
Was wir derzeit erleben, ist eine Re-Nationalisierung samt nationalstaatlichen Souveränitätsillusionen.
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Dr. Hannes Androsch ist Finanzminister i. R. und Unternehmer.
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