Andreas Scalet

Kommentar

Andreas Scalet

Bauernopfer oder doch Kuhhandel

Markt / 16.09.2015 • 22:16 Uhr

Der Begriff kommt aus dem Schachspiel, doch dass der Bauer Opfer ist – und das grundsätzlich – gilt zumindest unter den Landwirten als ausgemacht. Nicht nur in Vorarlberg, in ganz Österreich, in Europa sogar. Man erinnere sich nur an die eindrucksvollen Fahrten mit riesigen Traktoren vor die Parlamente dieser Welt, an die brennenden Heufuhren, die Autobahnen blockieren, an die wortgewaltigen Bauernfunktionäre, die Tausende Liter Milch in den Gulli schütten lassen oder Getreide abfackeln.

Dass die derzeitigen Milchpreise auch unseren Agronomen die Tränen in die Augen treiben, ist aber nicht nur die Schuld böser Boykotteure in Russland und ebensolcher Agrarkonzerne; es ist auch Ergebnis einer Agrarpolitik, die sich eine Handvoll Lobbyisten unter den Nagel gerissen hat. Und die halten sowohl den Bauernstand als auch die verantwortlichen Politiker auf allen Ebenen in Geiselhaft: Einer Agrarpolitik, die den einst stolzen Bauernstand zum Bittsteller macht. Darüber täuschen nicht einmal die lärmenden Exponenten hinweg. Exponenten, die offenbar alle dieselbe Schulung durchlaufen. Laut, schrill und mit rotem Kopf machen sie der Welt weis, dass die Bauern Opfer sind, und bereiten doch den nächsten Kuhhandel vor, der vordergründig ihrer Klientel dient, in letzter Konsequenz aber ein System festigt, das krank und alt ist und unbedingt reformiert werden muss.

Bauern hängen heute am Tropf der Regierungen. Ohne Förderung gibt es inzwischen kein Überleben im System. Von Selbstbestimmung kann keine Rede sein. Der „freie Bauersmann“ ist ein schöne Legende, aber weit von der Realität entfernt.

Über Förderung oder Nicht-Förderung entscheidet auch, wie sich Bäuerin und Bauer verhalten. Die Biobauern, die heute vor den Vorhang geholt werden, wurden vor noch nicht allzulanger Zeit in all ihrem Tun behindert, ihre Ideen verspottet. Auch wer sich keine buntgescheckten Turbokühe angeschafft hat, die besonders viel Milch geben, wurde zumindest scheel angeschaut. Milch übrigens, die jetzt zu Dumpingpreisen verkauft werden muss.

Die ständig wiederkehrenden Krisen, sei es nun der Milchpreis, die Maisproduktion oder das Schweinefleischdilemma, sind schon Grund genug, das System zu überdenken. Zudem der jährliche demütigende Bittgang um entsprechende Förderung: Das alles ist Grund genug, umzudenken. Es wäre sicher erhebend, wenn die Bauersleute so sein könnten, wie sie sich gerne sehen: stolz und selbstbestimmt.

Es wäre erhebend, wenn Bauersleute so sein könnten, wie sie sich gerne sehen: stolz und selbstbestimmt.

andreas.scalet@vorarlbergernachrichten.at, 05572/501-862