Brief an das Christkind
Wünschen wird man sich ja etwas können. Auch wenn nicht alles, was man dem Christkind ins Auftragsbuch schreibt, tatsächlich umgesetzt wird, flackert zumindest Hoffnung auf. Und Psychotherapeuten sehen den ersten Schritt zur Verarbeitung von Traumata in der Aufarbeitung – in diesem Fall in der Niederschrift von Wünschen, so fern sie der Realität auch sind.
Die Wünsche der Wirtschaft sind einfach auf den Punkt zu bringen: mehr Möglichkeiten, um unternehmerisch agieren zu können. Ein Begehren, das in allen Branchen zu vernehmen ist. Eine Forderung der vielen tapferen Ein-Personen-Unternehmen ebenso wie der kleinen und mittleren Betriebe und der ganz großen Global Player, die sich Tag für Tag mit der internationalen Konkurrenz messen müssen.
Wenn sich schon die Politik seit Jahr und Tag und egal in welcher Colorierung nicht in der Lage sieht, diese einfachen Wünsche der Wirtschaft zu erfüllen, hilft nur eins: ein Wunder vom Jesukind höchstpersönlich. Vielleicht hat das Christkind ein Einsehen, wenn es sieht, dass sich unsere Betriebe mit Problemen herumschlagen, die man anderswo auf dem Erdenrund gar nicht kennt. Es geht um Lohn- und Lohnnebenkosten, die ständig steigen, aber weder Arbeitnehmern noch -gebern ein Mehr im Geldbeutel bescheren. Der einzige, der sich über dieses arbeitslose Zusatzeinkommen freuen darf, ist bislang der Finanzminister, der allerdings seit gut neun Monaten mit seiner Ministeuerreform Verbesserungen für die Betriebe abwehrt und doch wieder von der kalten Progression profitieren wird. Er hat den besseren Draht in den Himmel als die Unternehmen.
Noch ein Wunsch steht seit Jahren auf dem Wunschzettel an das Christkind, und auch der wird wieder und wieder zurückgereiht: weniger Bürokratie. Diesem Ansinnen ist nur mit echten Wundern beizukommen. Selbst Antibürokratiekommissionen, wie sie regelmäßig mit der entsprechenden Auschmückung präsentiert werden, nützen nichts. Im Gegenteil: Jede neue Kommission gebiert neue Bürokratie. Die Beamten haben beim Christkind offenbar gute Karten.
Vom Christkind wünschen sich junge Unternehmer ein Wunder bei der Finanzierung. Aber auch dort könnte der Wunsch unerhört bleiben: Die Geldinstitute halten sich, weil international so vereinbart, zurück, wenn es darum geht, neue Ideen zu beflügeln. In der Situation hilft nur der Glaube: Was soll man denn sonst versuchen, als dem Christkind einen Wunschzettel zu senden, wenn alle rationalen Maßnahmen versagen?
Die Wünsche der Wirtschaft sind einfach auf den Punkt zu bringen: mehr unternehmerische Freiheit.
andreas.scalet@vorarlbergernachrichten.at, 05572/501-862
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