Den Einkaufstourismus in die Grenzen weisen

Markt / 05.02.2016 • 22:30 Uhr
Wenn die MwSt.-Rückerstattung fällt, wird wohl auch der „kleine Grenzverkehr“ zurückgehen.  Foto: Stiplovsek
Wenn die MwSt.-Rückerstattung fällt, wird wohl auch der „kleine Grenzverkehr“ zurückgehen. Foto: Stiplovsek

Schweizer Kunden beflügeln den Handel in Vorarlberg. Nun regt sich Widerstand. 

Schwarzach. Im Vorarlberger Einzelhandel sind die Umsätze im Jahr 2015 gegenüber dem Vorjahr nominell um drei Prozent auf 2,5 Milliarden Euro (netto) gestiegen, das ist das höchste Wachstum seit dem Jahr 2010. Und doppelt so hoch wie in Österreich insgesamt. Geschuldet ist das dem starken Schweizer Franken, der die Eidgenossen zur Einkaufsfahrt über die Grenze einlädt. Zumal sie ja auch die Mehrwertssteuer zurückerstattet bekommen und damit weiteres Geld sparen können.

Elf Mrd. Franken Einbußen

Mit Elf Milliarden Franken bewerten die Ökonomen der Credit Suisse den Verlust, den der Schweizer Detailhandel 2015 aufgrund des Einkaufstourismus hinnehmen musste. Daran dürfte sich auch mittelfristig nicht viel ändern, darin sind sich Handelsexperten dies- und jenseits des Rheins einig. Die Rückerstattung der österreichischen (oder deutschen) Mehrwertsteuer lohnt sich bei einem Einkauf unter 300 Euro gleich doppelt, da in diesem Fall die Schweizer Mehrwertsteuer bei der Einfuhr entfällt, die ausländische Mehrwertssteuer aber dennoch zurückgefordert werden kann.

Für Schweizer Kaufleute in den Grenzregionen ist das nicht nur ärgerlich, sondern auch existenzgefährend. Eine Initiative, die sich in der noch weit stärker als das Rheintal betroffenen Grenzregion Kreuzlingen-Konstanz gebildet hat, will nun die Abschaffung der Regelung betreiben. Geht es nach der Initiantengruppe um Oswald Petersen, solle dies in Zukunft nicht mehr möglich sein.

„Unfaire Bedingungen“

Laut Petersen, der zwar in der Schweiz lebt und unternehmerisch tätig ist, aber Deutscher ist, sei es nicht fair, dass auf Einkäufe, die bei der Einfuhr in die Schweiz nicht besteuert werden, auch keine Steuern im Ursprungsland gezahlt werden müssen. „Der Nutzen für die Schweizer Wirtschaft wäre, dass der Einkaufstourismus um circa 25 bis 30 Prozent zurückgeht. Wir gehen von einem zusätzlichen Umsatz über zwei bis drei Milliarden Franken für den Schweizer Detailhandel aus“, bewirbt er seine Idee.

Fachleute winken ab. Sie versprechen dem Vorhaben keine Zukunft. Denn es sei nicht möglich, mit der Schweizer Gesetzgebung Einfluss auf ausländisches Recht zu nehmen. Das sieht auch der Geschäftsführer der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer Vorarlberg, Michael Tagwerker, so, der die Forderung der Schweizer aus deren Sicht zwar verstehen kann, aber nicht fürchtet. „Wie soll das gehen?“, fragt sich der Vertreter des Vorarlberger Handels und ist sich sicher, dass die Initiative keinen Erfolg haben wird. Auch der Sprecher des österreichischen Bundesministeriums für Finanzen, Johannes Pasquali, hält nichts vom Schweizer Bestreben. „Da gibt es keine Überlegungen und keine Bestrebungen bei uns.“ Er liefert die Zahlen zur grenzüberschreitenden Diskussion. Im vergangenen Jahr sind die Ansuchen auf Mehrwertsteuerrückerstattung von 780.000 im Jahr 2014 auf 1,4 Millionen angestiegen.

Aus Schweizer Sicht verständlich, aber wie soll das gehen?

Michael Tagwerker, WKV

MwSt.-Fakten

» Mehrwertsteuererstattung in Österreich, wenn die Kundin oder der Kunde im selben Geschäft für mindestens 75 Euro einkaufen. In Deutschland keine Untergrenze.

» Mindesteinkaufsbetrag: 75,01 Euro

» Ausfuhrfrist: 3 Monate

» Frist zum Einlösen der Mehrwertsteuer: 3 Jahre

» Grenzwert für Einfuhren in die Schweiz: 300 Franken pro Person abgabenfrei. Bei Überschreiten wird Mehrwertsteuer von 2,5 Prozent für Lebensmittel, alkoholfreie Getränke, Bücher bzw. 8 Prozent des Warenwertes fällig