Andreas Scalet

Kommentar

Andreas Scalet

Rückfall in die Kleinstaaterei

Markt / 10.02.2016 • 22:26 Uhr

Die Europäische Union hat es derzeit nicht leicht, sich Freunde zu machen oder zu erhalten. Wie denn auch? Über Monate erreichen die Bürger nur die Negativmeldungen aus Brüssel. Ob Griechenland oder Flüchtlinge, Brexit oder TTIP: Das alles zeigt eine Union, die keine ist.

Die vielzitierten Lobbyisten in der europäischen Hauptstadt wissen der Anti-Europa-Stimmung wenig entgegenzusetzen. Geschuldet ist das Schweigen und Zaudern aber nicht wirklich den Gremien der EU, denn deren Handlungsspielraum ist begrenzt. Bewusst begrenzt, weil die Mitgliedsländer und vor allem nicht ihre Repräsentanten auch nur ein Jota ihrer Souveränität abgeben wollen. Das sorgt für Stillstand, das nimmt jeden Handlungsspielraum und sorgt für Frust am Stammtisch, den sich die ewigen Zünsler zunutze machen.

Richtig gefährlich könnte es für Europa werden, wenn nicht bald Einsicht bei Ministern, Präsidenten und Kanzlern einkehrt, die sich zwar oft treffen, aber wenig Konkretes verabreden. Durch das EU-Bashing wird viel Porzellan zerschlagen, plötzlich stehen Errungenschaften wieder zur Diskussion, die nicht nur der Wirtschaft enorme Erleichterungen brachten, sondern auch für jeden einzelnen Bürger von Vorteil sind; ja, auch für jene, die auf die EU eindreschen.

Beispiel Österreich. Der allgemeine Wohlstand und die hohe soziale Sicherheit im Land sind nicht das Ergebnis der Abgrenzung, sondern der Öffnung. Rund 18.000 neue Jobs wurden in Österreich seit dem EU-Beitritt jährlich geschaffen. Der Wegfall von Grenzkontrollen: Heimische Unternehmen sparen dadurch im EU-Export jährlich zwei bis fünf Prozent des Warenwertes, das sind allein für Vorarlbergs Unternehmen bis zu 200 Millionen Euro jährlich. Dieser Vorteil ist schnell verspielt, wenn man jetzt wieder Grenzbalken montiert. Eine Maßnahme, die auch in Vorarlberg Jobs kosten würde.

Klar muss die Europäische Union jetzt liefern; Lösungen sind vonnöten und die müssen gemeinsam getroffen werden, auch wenn das bedeutet, dass die Mitgliedstaaten nicht all ihre eigennützigen Wünsche erfüllt bekommen. Keine Lösung ist es jedenfalls, in die Kleinstaaterei zurückzufallen. Das wäre eine wirtschaftliche Katastrophe und eine politische Bankrotterklärung, die dann zu einem wirklich großen Problem würde. Und damit ist nicht die Wartezeit am Grenzübergang gemeint.

Plötzlich stehen Errungenschaften zur Diskussion, die auch für jeden einzelnen Bürger in Europa von Vorteil sind.

andreas.scalet@vorarlbergernachrichten.at, 05572/501-862