36.000 Spindeln stehen still: Aus für Spinnerei und ihre 80 Mitarbeiter

Schließung wegen fehlendem Absatzmarkt und Preisdruck. Hoffnung auf Verkauf.
Feldkirch. Gestern Nachmittag wurde der Schlusstrich unter eine textile Ära gezogen. Die Spinnerei Feldkirch wird nach 122 Jahren geschlossen. Der Grund: Ein stark rückläufiger Absatzmarkt und enormer Preisdruck aus dem osteuropäischen und asiatischen Raum erschweren die wettbewerbsfähige Fertigung von Garnen. „Wir bedauern es sehr, diesen Schritt gehen zu müssen“, sagt Petra Kreuzer, Vorstand der Eigentümerin F.M. Hämmerle Holding AG. Dadurch kämpfte die Spinnerei mit einer sinkenden Auslastung und schrieb zuletzt Verluste.
Dabei sah die Situation vor eineinhalb Jahren noch deutlich positiver aus. „Wenn es uns gelingt, die Kreativität und das Engagement so weiterzuführen, läuft es. Der Markt ist da“, sagte Werner Jochum (55) über die Zukunft des Unternehmens. Man habe eine ideale Größe gefunden. Denn mit 36.000 Spindeln zählt man zu den kleineren Betrieben der Branche.
Optimismus sei vorhanden gewesen, wie Petra Kreuzer im VN-Gespräch bestätigt. Man habe alles probiert, um den Betrieb fortzuführen. Auch investiert wurde kontinuierlich. Aber nicht nur die Marktlage wurde zusehens schwieriger, man verlor auch einen bedeutenden Großkunden. „Einer der größten“, sagt Kreuzer, ohne genaue Zahlen zu nennen. Den Ausfall habe man mit anderen Kunden nicht kompensieren können. Zudem greife der neue Markt mit technischen Garnen noch nicht. „Hier gibt es noch keine Mengen, der Absatzmarkt fehlt.“ Überlegungen zur Schließung gab es schon länger. „Wir wollten unbedingt vermeiden, in einen Konkurs zu schlittern, denn dann hätten die Mitarbeiter alle Ansprüche verloren“, erklärt Kreuzer. Bei einer Betriebsschließung können nun alle Forderungen erfüllt werden.
Sozialverträgliche Lösung
Die Schließung soll im August oder September erfolgen, je nachdem, wie lange die Abarbeitung der bestehenden Aufträge dauert. Damit verlieren 80 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz. Rund 15 Beschäftigte wurden schon zuvor über natürliche Abgänge und Pensionierungen abgebaut. Die F.M. Hämmerle Holding will nun eine sozialverträgliche Lösung finden. Heute werden mit den Arbeitnehmervertretern die Verhandlungen über einen Sozialplan aufgenommen. Damit sollen Härtefälle abgefedert werden, wie Gewerkschafter Bernhard Heinzle erklärt. Dabei werden je nach Alter, Beschäftigungsdauer sowie der Anzahl der minderjährigen Kinder Punkte vergeben, die dann finanziell abgegolten werden. „Unsere Arbeitsrechtsexperten werden den Betriebsrat eingehend unterstützen“, sagt auch AK-Präsident Hubert Hämmerle Hilfe zu.
Qualifikationsniveau
Zudem müsse man schauen, ob es zusätzlich eine Arbeitsstiftung brauche, so Heinzle. Das sei abhängig vom Qualifikationsniveau der Beschäftigten beziehungsweise ob es Bedarf an einer Höherqualifizierung gebe, um deren Chancen am Arbeitsmarkt zu erhöhen. Nach jetzigem Informationsstand gebe es den, merkt er an.
Natürlich seien die Beschäftigten geschockt, es seien viele langjährige Mitarbeiter darunter. Die Stimmung sei aber nicht so schlecht, sagt Petra Kreuzer. Denn die Belegschaft wisse, dass sämtliche Ansprüche erfüllt werden. Auch die Mitarbeiterwohnungen würden nicht gekündigt.
Ein Hoffnungsschimmer
Einen letzten Hoffnungsschimmer gibt es noch: Ein Verkauf könnte die Zukunft der Spinnerei sichern. Das Unternehmen habe gute Mitarbeiter und innovative Entwicklungen. „Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Spinnerei gut in eine andere Unternehmensgruppe oder eine bestehende Spinnerei hineinpasst. Der Käufer würde einen funktionierenden Betrieb übernehmen“, sagt Kreuzer.
Wird die Spinnerei geschlossen, werde die F.M. Hämmerle Holding wie schon bei allen anderen Liegenschaften zuvor eine Projektentwicklung starten, um zu sehen, wie man die Fläche am besten nutze. Auch das wäre das Ende einer Ära. Denn damit endet das textile Engagement von F.M Hämmerle, einst größtes Textilunternehmen in Vorarlberg, endgültig.
Wir bedauern es sehr, diesen Schritt nun gehen zu müssen.
Petra Kreuzer, F.M. Hämmerle
