“Ich würde mir mehr Pioniergeist wünschen”

Markt / 27.05.2016 • 18:32 Uhr
Montafonerbahn-Vorstand Bertram Luger hat einen Busführerschein. Die Lokführerausbildung hat er nur aus Zeitgründen nicht. Fotos: VN/Hofmeister
Montafonerbahn-Vorstand Bertram Luger hat einen Busführerschein. Die Lokführerausbildung hat er nur aus Zeitgründen nicht. Fotos: VN/Hofmeister

Schruns. Bertram Luger führt seit zwölf Jahren die Geschicke der Montafonerbahn AG, einem der größten Arbeitgeber im Tal. Im Interview spricht er über Außenwahrnehmung, Wachstumsmärkte, und warum er einen Busführerschein hat.

Das Unternehmen Montafoner­bahn wird von den meisten mit der Bahn in Verbindung gebracht. Dabei hat die Firmengruppe viele Standbeine.

Luger: Die Bahn macht maximal 15 Prozent unseres Umsatzes aus, ist aber in der Außenwirkung das, womit man uns identifiziert. Wir haben die Bereiche Energie, Verkehr, Elektrohandel, Installation, Kabelfernsehen und Medien. Wir haben mit Energie und Verkehr zwei regulierte Bereiche. Das heißt, dort sind wir voll im Liberalisierungsprozess. Das Bahnnetz ist allen zugänglich, die eine Konzession haben, und auch das Stromnetz muss für alle Anbieter zugänglich sein. Dafür muss man ein Entgelt bezahlen, die Investition in die Infrastruktur zahlt aber die öffentliche Hand.

Welches sind für Sie die größten Hoffnungsmärkte?

Luger: Der Energiebereich ist umsatzmäßig der größte Bereich. Im regulierten Bereich haben wir als Unternehmen den höchsten Handlungsbedarf, unsere Kosten unterzubringen. Die größten Chancen sehe ich in der Elektro- und Sanitärinstallation und beim Kabel. Dort haben wir bereits einen hohen Anteil an Glasfaser, beim Internet flächendeckend 100 Megabit pro Sekunde. Wir haben also das ultraschnelle Breitband, das der Bund bis 2020 fordert, jetzt schon.

Was ist die Anforderung an Sie als Chef in einem Unternehmen, das in so vielen verschiedenen Bereichen tätig ist?

Luger: Das Wichtigste ist, dass man gut führen, planen und organisieren kann. Man braucht einen guten kaufmännischen Background, muss aber nicht der absolute Fachspezialist auf jedem Gebiet sein. Früher hat man oft den besten Fachmann zum Chef gemacht. Das ist nicht immer die beste Lösung. Die ersten Jahre habe ich so jeden Tag etwas dazulernen können. Das ist toll. So habe ich beispielsweise den Busführerschein gemacht.

Kann man eine Regionalbahn kostendeckend betreiben?

Luger: Beim Betrieb haben wir einen Kilometersatz und deshalb keine Notwendigkeit einer Querfinanzierung im Unternehmen. Bei der Infrastrukturerhaltung schaffen wir nicht ganz die schwarze Null. Hier müssen wir einen kleinen Teil querfinanzieren. Der Personenverkehr als solches ist aber kostendeckend.

Die Montafonerbahn hat eine ganze Reihe von Gesellschaftern. Wie schwer ist es, Entscheidungen zu treffen?

Luger: Wir haben eine heterogene Eigentümerstruktur. 54 Prozent hält der Stand Montafon, fast 23 Prozent sind in Streubesitz. Wir haben einen Spannungsbogen abzudecken, was die Erwartungen der Eigentümer anlangt. Wir versuchen, das sehr sachlich abzudienen, und mit dem Aktienrecht ist schon viel vorgegeben. Ohne Aktiengesellschaft wäre es schwierig, wenn jede einzelne Gemeinde sich als Zurufer einen Vorteil verschaffen wollte. Das gäbe Chaos.

Es gibt schon länger Pläne, die Bahn zu verlängern. Wie ist der aktuelle Stand?

Luger: Alle Verkehrsplanungen und Ökologiebestrebungen gehen dahin, dass man eine leistungsfähige Regionalbahn haben sollte. Wir müssen also schauen, dass wir von Schruns weiter hinein ins Tal kommen. Vor fünf Jahren ist die Diskussion erneut aufgekommen, weil bei einer Befragung die Bevölkerung der Mobilität die höchste Priorität eingeräumt hat. Man hat einen Masterplan erstellt. Dafür gab es einen einstimmigen Beschluss aller zehn Bürgermeister, und das Thema ist im Regierungsprogramm der Landesregierung gelandet. Dann kamen die Gemeindevertretungswahlen und der eine oder andere Personalwechsel. Wir mussten also alle auf denselben Kenntnisstand bringen. Wurde vorher eine Ill-nahe Trasse diskutiert, gibt es jetzt eine zweite mögliche Trasse, in der Schruns unterirdisch durchquert wird. Nun müssen sich die politischen Entscheidungsträger einig werden. Darauf müssen wir warten. Ich würde mir aber mehr Pioniergeist der Altvorderen wünschen. Früher hat man sich mehr getraut oder trauen müssen.

Quietschende Züge und unbeschrankte Bahnübergänge sind immer wieder Teil der Diskussion. Wie begegnen Sie solchen Beschwerden?

Luger: Wir sind nicht bestrebt, uns ständig mit Nachbarn zu streiten. Unsere Absicht ist, das im Konsens zu lösen. Denn Anwälte und Gerichte kosten viel Zeit und Geld. Gewisse physikalische Gesetze können wir aber nicht umdrehen. Metall auf Metall quietscht manchmal. Es muss aber im erträglichen Ausmaß passieren. In diesem reglementierten Bereich ist man allerdings nicht so flexibel. Genauso ist es bei den Eisenbahnkreuzungen. Wir können das selber nicht veranlassen. Da gibt es die Eisenbahnbehörde. Wir sehen das völlig wertfrei, denn dem Bahnunternehmen ist es egal, ob es eine Schranke oder eine Ampel gibt.

Trifft Metall auf Metall, quietscht es manchmal. Das ist nun mal das Wesen einer Eisenbahn.

Bertram Luger hat nach Jahrzehnten in einer Bank eine neue Herausforderung gesucht und gefunden.
Bertram Luger hat nach Jahrzehnten in einer Bank eine neue Herausforderung gesucht und gefunden.

Kennzahlen

» Gegründet: 1904

» Gesellschafter: Stand Montafon (Anteil: 54,52 %), Streubesitz (22,80 %), Vorarlberger Illwerke Aktiengesellschaft (11,46 %), Land Vorarlberg (11,22 %)

»Geschäftsführer: Bertram Luger

» Beteiligungen: WILU – Haustechnik GmbH (70 %), Elektro Decker GmbH (90 %), mbs Bus GmbH (100 %), naturwärme-montafon biomasseheizkraftwerk gmbh (20 %)

Zur Person

Bertram Luger

Vorstand Montafonerbahn Aktiengesellschaft; Geschäftsführer mbs Beteiligungs GmbH sowie mbs Bus GmbH

Geboren: 7. 1.1959

Ausbildung: Pflichtschule, Gymnasium, Bankausbildung

Laufbahn: ab 1978 bei der Sparkasse Bludenz (Rechnungswesen, Leiter der Revision, zuletzt Bereichsleiter im Privatkundengeschäft und Gesamtprokurist); seit 2004 Vorstandsdirektor der Montafonerbahn AG, nebenbei 25 Jahre lang Bürgermeister von Stallehr

Familie: wiederverheiratet, zusammen fünf Kinder, fünf Enkelkinder